die taz vor zehn jahren über den iran und die deutsche außenpolitik
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Wie will Klaus Kinkel seine iranischen Kollegen begrüßen, wenn er demnächst nach Teheran reist? Mit einem frischen, den örtlichen Umständen angepaßten „Grüß Gott“? Und wird er sich nach dem Händedruck heimlich die Finger waschen? Blut soll ja eine so klebrige Konsistenz haben.

Gestern wurde Klaus Kinkel einmal mehr daran erinnert, wem er da in Teheran die Hand reichen wird. Im Berliner „Mykonos“-Prozeß hat ein leitender Verfassungsschützer die Erkenntnis bezeugt: Das iranische Geheimdienstministerium hat 1992 den Mordanschlag auf vier Oppositionelle höchstselbst dirigiert. Zur Vorbereitung des Blutbads wurde ein Agententeam aus Teheran nach Berlin entsandt.

Ein bizarrer Fall von gestörter Regierungsmotorik: Die rechte Hand, der Verfassungsschutz, haut vor Gericht auf den Tisch, auf daß die linke, der Außenminister, endlich unter Handlungszwang gerate. Doch die linke Hand ignoriert das Prozeßgeschehen und packt ausgerechnet jetzt die Koffer zum Freundschaftsbesuch.

Um nicht in die Verlegenheit zu geraten, den iranischen Außenminister ausladen zu müssen, hat Klaus Kinkel jüngst die von ihm initiierte Islam-Konferenz platzen lassen. Um den Eklat zu vermeiden, daß der iranische Geheimdienstminister in Deutschland hinter Gittern wandert, wollte der Außenminister einen entsprechenden Haftbefehl verhindern. Mehr und mehr haben sich iranische Politiker zu Personae non gratae auf deutschem Boden gemacht.

Klaus Kinkel rudert mit Reisediplomatie dagegen. Vielleicht heißt der Außenminister ja auch deshalb Außenminister: weil er gewisse Gesprächspartner nur noch außer Landes treffen kann. Vera Gaserow, 26. 1. 1996