Mutiger Blick zurück

Ingeborg Hecht, von den Nazis als „Mischling“ diffamiert, präsentiert ihr Buch „Von der Heilsamkeit der Erinnerung“

Zu der Veranstaltungsreihe „(Be)Schweigen und Erinnern“ der Galerie Morgenland ist an diesem Donnerstag Ingeborg Hecht geladen. Sie hat 1984 in ihrem Buch Als unsichtbare Mauern wuchsen die Geschichte ihrer von den Nürnberger Rassegesetzen betroffenen Familie geschildert. Unter dem Motto ihres zweiten Buchs Von der Heilsamkeit der Erinnerung wird die Autorin jetzt vom Kampf um die Befreiung von den Schrecken der Verfolgung berichten.

Ingeborg Hecht wurde 1921 in Hamburg geboren und war von der ab November 1935 geltenden „Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ betroffen, die sie zum „Mischling ersten Grades“ erklärte. Formal besaß sie zwar dieselben Rechte wie „arische“ Mitbürger, trotzdem war sie wie Zehntausende aus Familien mit einem jüdischen Elternteil einem „Mosaik von perfiden Stufen einer Demontage der Menschenwürde und des Lebens“ ausgesetzt.

Im Falle ihrer Eltern war die Lage besonders tragisch: Felix Hecht ließ sich 1933 von seiner Frau aus Gründen scheiden, die nichts zu tun hatten mit dem „politischen und menschlichen Unheil, das da aufzog“. Dadurch geriet Felix Hecht in eine dramatische Lage. Die Scheidung konnte wegen der Rechtslage nicht mehr rückgängig gemacht werden. Dadurch war Ingeborg Hechts Vater nicht durch den Status der „Mischehe“ bei den später einsetzenden Deportationen geschützt. Zudem wurden ihre weiterhin solidarisch verbundenen geschiedenen Eltern 1940 wegen angeblicher „Rassenschande“ denunziert.

Danach waren die Unterstützungsmöglichkeiten noch weiter eingeschränkt, da die Familie einem von der Gestapo überwachten Kontaktverbot unterlag. 1944 wurde Felix Hecht zunächst nach Theresienstadt, im September dann nach Auschwitz deportiert, wo sich seine Spur verliert.

Ingeborg Hecht hat nach 1945 als Journalistin und freie Schriftstellerin gearbeitet. Mit ihrem ersten autobiographischen Buch hat sie auf einen bis dahin kaum beachteten Aspekt der NS-Verfolgung aufmerksam gemacht. Mit viel Mut hat sie sich ihren Erinnerungen gestellt und damit ein Beispiel für die Übernahme von Erinnerungsverantwortung gegeben. Wie viel mehr wäre nach der Befreiung 1945 in Deutschland gewonnen gewesen, wären auch Menschen, die zu den Nutznießern und Mitläufern des NS-Regimes gehörten, dem Vorbild Ingeborg Hechts gefolgt.

Andreas Blechschmidt

Do 26.1., 19.30 Uhr, Galerie Morgenland, Sillemstr. 79