EU-Länder dürfen wieder dichtmachen

GRENZPOLITIK Schengen-Regelung aufgeweicht: Um Flüchtlinge abzuwehren, werden innereuropäische Grenzkontrollen erlaubt

BRÜSSEL afp/dpa/taz | Die EU-Staaten können künftig Grenzkontrollen einführen, wenn zahlreiche Einwanderer auf illegale Weise ins Land kommen oder wenn sie die massenhafte Ankunft von Flüchtlingen befürchten. Die EU-Staaten, das Europaparlament und die EU-Kommission einigten sich auf einen sogenannten Notfallmechanismus, wie EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström am Donnerstag mitteilte. Die Grünen warfen der EU vor, damit „die Axt“ an das Schengen-System anzulegen.

Mit der neuen „Notfallklausel“ wird eine zentrale Forderung Deutschlands erfüllt. Voraussetzung ist, dass ein Schengen-Staat trotz EU-Hilfe seine Außengrenzen nicht mehr schützen kann und die innere Sicherheit „massiv bedroht“ ist. Länder dürfen dann bis zu zwei Jahre lang wieder ihre Grenzen überwachen. Dies ist nur in außergewöhnlichen Umständen und als letztes Mittel möglich. Vorbedingung ist eine „Empfehlung“ des Rats, der Versammlung der EU-Länder. Bislang sind Kontrollen von 30 Tagen nur bei Großereignissen wie Fußballspielen sowie für 10 Tage nach Notfällen wie Terroranschlägen erlaubt.

Laut EU-Diplomaten könnte Griechenland ein möglicher erster Fall werden. Denn über seine Grenze kommen die meisten Migranten nach Europa und reisen von dort oft weiter. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte stets gefordert, dass die Staaten handlungsfähig bleiben müssten.

Das Schengen-Abkommen garantiert die Reisefreiheit in Europa: An den Grenzen der 26 Unterzeichnerstaaten gibt es normalerweise keine Passkontrollen mehr. Fast zwei Jahre lang hatten die EU-Staaten mit Kommission und Parlament über die Reform gestritten. Nun ist vorgesehen, dass die EU-Kommission die Umsetzung kontrolliert.

EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström sagte: „Die EU-Kommission überwacht auch durch Besuche vor Ort, dass die Staaten ihre Verpflichtungen erfüllen und nicht ungerechtfertigt Grenzen kontrollieren.“ Die Reform werde den Schengen-Raum „zum Wohl von Europas Bürgern“ stärken.

Die Einigung muss noch vom Parlament und den EU-Staaten angenommen werden, dies gilt aber als Formalie.

Aus dem EU-Parlament kam Kritik von den Grünen, die eine Abschottung Europas befürchten. Die deutsche Grünen-Abgeordnete Ska Keller bemängelte, Europa lege „die Axt an Schengen“: „Wir Grüne lehnen diese Aufweichung von Schengen entschieden ab.“