Gleichbehandlung jetzt auch rückwirkend

HOMOSEXUELLE Im Zuge der Tariferhöhung im öffentlichen Dienst schreibt Niedersachsen die rückwirkende Gleichbehandlung von Lebenspartnerschaften und Ehen bei BeamtInnen erstmals gesetzlich fest. Das Bundesverfassungsgericht forderte das schon lange

VON TERESA HAVLICEK

Rot-Grün in Niedersachsen drängt auf eine vollständige Gleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft. Schon im März hat sich die Landesregierung einer Bundesratsinitiative aus Hamburg und Rheinland-Pfalz zur Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare angeschlossen. Auf Landesebene brachten SPD und Grüne zudem einen Antrag ein, nach dem alle landesrechtlichen Regelungen auf Benachteiligungen Homosexueller geprüft und überarbeitet werden.

Ein erster Schritt dahin ist jetzt gemacht: Als der Landtag am Mittwoch die Anpassung der Beamtenbesoldung an den jüngsten Tarifabschluss im öffentlichen Dienst beschlossen hat, wurde das entsprechende Gesetz um einen weiteren Artikel ergänzt. Niedersächsische BeamtInnen, RichterInnen und VersorgungsempfängerInnen haben nun auch qua Gesetz die gleichen Ansprüche auf Besoldung, Versorgung und Beihilfe wie Verheiratete – rückwirkend bis 2001. Damals wurde die Lebenspartnerschaft eingeführt.

Bislang war das in Niedersachsens Landesgesetzgebung nicht vorgesehen: Zwar beschloss 2010 die damalige, schwarz-gelbe Regierung, das Landesrecht offiziell an das Lebenspartnerschaftsgesetz von 2001 anzupassen – als eines der letzten Bundesländer. Zu einer rückwirkenden Gleichstellung homosexueller BeamtInnen in eingetragenen Lebenspartnerschaften mit Verheirateten mochten sich CDU und FDP allerdings nicht durchringen. Das hatten die damalige rot-rot-grüne Opposition wie auch Schwulen- und Lesbenverbände stets gefordert. Jeder „weitere aktive Beitrag zur Gleichstellung“, so der schwulen- und lesbenpolitische Sprecher der Grünen, Helge Limburg, sei seitdem abgewiesen worden.

Als SPD, Grüne und Linksfraktion in der vergangenen Legislatur etwa forderten, den Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität in die Landesverfassung aufzunehmen, scheiterten sie damit an der schwarz-gelben Stimmenmehrheit. Schwule und Lesben würden auch ohne einen solchen Passus gleichbehandelt, erklärte das Regierungslager. Der frühere Justizminister Bernd Busemann (CDU) warnte noch vergangenen Sommer offen vor einem Adoptionsrecht für Homosexuelle und beschwor Gefahren für das Kindeswohl herauf: Betroffenen drohten Stigmatisierung und Mobbing, so Busemann.

Auch eine Initiative, die rückwirkende Gleichbehandlung bei der Besoldung ins Beamtengesetz aufzunehmen, kam vor dem letzten Regierungswechsel nicht durch. Lediglich mit einem Erlass regelte Schwarz-Gelb im August vergangenen Jahres rückwirkende Ansprüche bis 2001 auf Verwaltungsebene. Kurz zuvor hatte das Bundesverfassungsgesetz für verfassungswidrig erklärt, dass Verpartnerten von 2001 bis 2009 der beamtenrechtliche Familienzuschlag verweigert wurde.

Mit dem aktuellen Beschluss zur Beamtenbesoldung, erklärt Grünen-Politiker Limburg, wolle Rot-Grün jetzt „der Gleichbehandlung Gesetzesrang geben, statt nur mit Verwaltungsanweisungen auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu reagieren“. Und dabei solle es nicht bleiben: Im Koalitionsvertrag haben SPD und Grüne vereinbart, sich für eine vollständige rechtliche Gleichstellung, insbesondere im Steuer- und Adoptionsrecht einzusetzen. Auf Landesebene soll ein eigenes Antidiskriminierungsgesetz auf den Weg gebracht werden. Zudem ist erneut geplant, den Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität in die Landesverfassung zu schreiben.

Auch im Bildungsauftrag im niedersächsischen Schulgesetz wolle man die Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft festschreiben, kündigt Limburg an. Bislang heißt es dort noch, im Schulunterricht solle das „Verständnis von Partnerschaft, insbesondere in Ehe und Familie“ gestärkt werden. Eine „versteckte Regelung, die in der Lebenspraxis aber durchaus problematisch sein kann“, wie der Grünen-Politiker sagt.