Zurück ans Mittelmeer

FLÜCHTLINGE Hamburg bietet Kriegsflüchtlingen aus Libyen keine Bleibeperspektive. Eine Rückführung nach Italien sei geplant. Der Bezirk Mitte verweist erste Betroffene aus dem Bismarck-Park

Aus Sicht der Innenbehörde ist Deutschland verpflichtet, die Flüchtlinge nach Italien zu schicken

Die ungeklärte Situation von Kriegsflüchtlingen aus Libyen sei „ein soziales Problem“, sagte Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) am Mittwochnachmittag in der Bürgerschaft. Deshalb spreche er „und nicht der Innensenator“, so Scheele. Und dann redete er, als sei er der Innensenator.

Es gebe „keine dauerhafte Perspektive“ für die Betroffenen in Hamburg, stellte er dar. Für vier bis sechs Wochen könnten sie noch hier bleiben, Tagesaufenthaltsstätten aufsuchen, Kleidung, Essen und medizinische Versorgung erhalten – „als Teil einer geordneten humanen Rückführung nach Italien“.

Seit Wochen sind bis zu 300 Männer aus mehreren afrikanischen Ländern, die aus Libyen nach Europa geflohen waren, in Hamburg ohne Unterkunft. Gespräche zwischen der Sozialbehörde, der Evangelischen Nordkirche und der Flüchtlingsgruppe waren am Dienstag erneut ergebnislos geblieben. Die Nordkirche will den Bedingungen der Behörde nicht zustimmen. Im Gespräch sind eine Schule und eine Turnhalle als übergangsweise Unterkunft. Sie könnten von den Flüchtlingen bezogen werden, wenn sie sich vorab registrieren lassen. „Das wird der humanitären Hilfe nicht gerecht. Damit will man die Abschiebung erleichtern“, sagt Constanze Funck, Koordinatorin der Nordkirche. Sie fordert „Unterkunft ohne Bedingungen und mit rechtlicher Beratung“.

Nach taz-Informationen hat Italien am Mittwochnachmittag gegenüber der Bundesregierung eine „Rücknahmepflicht“ anerkannt. Damit können die Flüchtlinge in ein ordentliches Asylverfahren gelangen – im Erstaufnahmeland Italien. Das sei keine Lösung, sagte Christiane Schneider (Die Linke). Die Lage für afrikanische Flüchtlinge in Italien sei „katastrophal und unmenschlich“.

Diese Menschen seien „in existenzieller Not“, räumte Ksenija Bekeris (SPD) ein. Hamburg aber könne ihnen „keine dauerhafte Lebens- und Arbeitsperspektive bieten“. Niemand dürfe den Flüchtlingen Versprechungen machen, die nicht gehalten werden könnten. Allerdings werde sich „durch Untätigkeit das Problem nicht lösen“, entgegnete die Grünen-Abgeordnete Antje Möller. Die Suche nach einer Lösung auf EU-Ebene dürfe „nicht auf dem Rücken der Flüchtlinge ausgetragen werden“.

Ralf Lourenco von der Flüchtlingsorganisation Karawane sagte der taz, es gebe einen „offenen Konflikt zwischen Kirche und Behörde“. Die Stadt wolle ihre Probleme mit den Flüchtlingen auf Italien abwälzen. Die Betroffenen selbst, die ihrer Gruppe den Namen „Lampedusa in Hamburg“ gegeben haben, sind enttäuscht: „Seit Wochen auf der Straße in einer reichen Stadt wie Hamburg“, heißt es in einer Mitteilung, „und der Senat, der Bürgermeister und die Stadtverwaltung haben uns nichts zu sagen, außer, dass wir ihnen aus den Augen verschwinden sollen.“

Registriert sind die Flüchtlinge nicht, auch über ihre genauen Papiere herrscht Unklarheit. Sie dürften sich maximal drei Monate in Deutschland aufhalten. Die sind mittlerweile fast um, somit wären die Afrikaner illegal im Land. Aus Sicht der Innenbehörde ist Deutschland verpflichtet, die Flüchtlinge nach Italien zurückzuschicken.

Das Bezirksamt Mitte wollte am Mittwoch bereits damit beginnen: Sieben Flüchtlinge, die im Park unter dem Bismarck-Denkmal leben, erhielten eine Aufforderung, das Areal zu räumen. Auf telefonische Nachfrage hin will die Linken-Abgeordnete Schneider zur Auskunft erhalten haben, das Bezirksamt wolle „die Grünfläche schützen“. JANINA KRUPOP, SVEN-MICHAEL VEIT