„Putin kopiert das Modell DDR“

RUSSLAND Parteien wie Marionetten, statt Unternehmen nur Monopole, Korruption als Rückgrat des Staats. Michail Chodorkowski spricht mit der taz über das System Putin

AUS MOSKAU KLAUS-HELGE DONATH

Die Jagd auf Michail Chodorkowski begann vor zehn Jahren, damals der reichste Mann Russlands. An dem Mehrheitseigentümer des Ölkonzerns Yukos wollte der damalige Kremlchef Wladimir Putin ein Exempel statuieren, das den Oligarchen ein für alle Mal eine Warnung sein sollte.

Zehn Jahre später ist die Klasse der Oligarchen gewachsen. Oligarchen aus dem Staatsapparat haben den Reichtum des Landes unter sich aufgeteilt. Die Korruption hat sich verstärkt. Laut Transparency International rangiert Russland 2012 auf dem 133. Platz von 176 Ländern. Auch die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter. Gleichzeitig schwindet das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz. Während der beiden Yukos-Prozesse 2004 und 2010 glaubten noch 28 Prozent der Befragten an faire Ermittlungen. Im aktuellen Prozess gegen den Antikorruptionsblogger Alexej Nawalny sind 52 Prozent davon überzeugt, dass die Anklage fabriziert ist. Die Umfrageergebnisse des Forschungszentrums Lewada belegen, dass der Kreml das Vertrauen der Bürger verliert. Davon zeugt auch die Tendenz gut ausgebildeter und jüngerer Menschen, Russland den Rücken zu kehren. Aufstiegsmobilität ist durch Bürokratie und Korruption kaum noch gegeben.

Der Mangel an Dynamik zeigt sich auch im Vergleich zu den aufstrebenden anderen BRIC-Staaten. In Brasilien, Indien und China wollen sich 21 Prozent selbstständig machen, in Russland sind es nur 3 Prozent. Wer jung ist, träumt von einer Karriere bei einem staatlichen Monopolbetrieb. Reformstau und Reformbedarf haben sich unter Putin verschärft. „Putin hat die Korruption zum tragenden Element erhoben“, sagt Chodorkowski aus dem Lager im Interview mit der taz.

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