RALF LEONHARD ZUM HOCHSCHULURTEIL IN ÖSTERREICH
: Schlampiger Gesetzgeber

Der Staat muss seine eigenen Gesetze ernst nehmen. Darauf läuft der Urteilsspruch des Obersten Gerichtshofs in Wien hinaus, der einem ehemaligen Medizinstudenten Schadenersatzansprüche gegenüber der Republik zuerkennt. Wenn der Staat freien Hochschulzugang gewährt, die Universitäten aber nicht mit den erforderlichen Mitteln ausstattet, haftet er für die Schäden.

Das Urteil ist aber weniger ein Plädoyer für den unbeschränkten Zugang zu Hochschulen, der seit Jahren die Bildungsbudgets überstrapaziert. Es ist vielmehr eine Rüge für den Staat, der Gesetze und Regelungen erlässt, deren Konsequenzen von den verantwortlichen Politikern nicht ausreichend berücksichtigt werden. Zwar wird den Studierenden abverlangt, dass sie ihr Studium möglichst schnell beenden. Andernfalls droht Entzug von Familienbeihilfe und Studienbeihilfe. Doch reichen die Seminar- und Übungsplätze bei Weitem nicht aus, um allen das zügige Studieren zu ermöglichen. Bei Online-Anmeldungen für bestimmte Lehrveranstaltungen ist man oft schon nach wenigen Sekunden chancenlos. Gerade beim Medizinstudium hat sich die Lage durch den Zuzug von deutschen Studierenden verschärft. In Österreich gibt es weder Numerus clausus noch Studiengebühren.

Mittlerweile versucht man den Ansturm auf eine Anzahl von Fächern durch Aufnahmeprüfungen zu steuern. Dieser Fall, der durch alle Instanzen ausgefochen wurde, könnte sich heute nicht mehr wiederholen. Aber die späte Gesetzesreparatur rächt sich. Es ist damit zu rechnen, dass andere ehemalige Studierende, die ihren Abschluss „ohne eigenes Verschulden“ erst mit Verspätung machen konnten, den Präzedenzfall nutzen und ebenfalls klagen. Ein weitsichtiger Gesetzgeber hätte das voraussehen müssen.

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