„Hier wird Unfehlbarkeit nahe gelegt“

DNA-DUSCHE Die Bremer Polizei experimentiert mit dem Einsatz von künstlicher DNA zur Markierung von Straftätern. Die Künstlerin Jule Körperich griff das Pilotprojekt mit einer verstörenden Installation auf

■ ist Juristin und studiert freie Kunst an der HfK Bremen. 2008 nahm sie am Projekt Peforming Crime mit einer Installation zum Brechmitteleinsatz teil. Foto: privat

Frau Körperich, Sie haben die Besucher der Jahresausstellung der Bremer Hochschule für Künste mit synthetischer DNA als Verbrecher markiert. Wie fanden die das?

Jule Körperich: Ich habe im Hochschulgebäude Spuren gelegt, etwa auf Türklinken. Meine Installation bestand aus einer Speziallampe, die diese Spuren auf der Haut sichtbar macht – vor einem Original-Plakat der Polizei mit dem Wort „schuldig“. Das ist rechtsstaatlich bedenklich.

Warum?

Die Bremer Polizei testet seit Monaten so genannte künstliche DNA zur Diebstahlsbekämpfung. Zuerst ging es um die Markierung wertvoller Gegenstände in Haushalten. Nun kommen so genannte „DNA-Duschen“ in Banken, Supermärkten und Tankstellen hinzu. Damit sollen bei Diebstählen und Überfällen künftig Menschen besprüht und dauerhaft markiert werden.

Wo ist das Problem?

Zunächst ist es das Bild, mit dem die Polizei wirbt. Der Abgebildete sieht irgendwie bösartig aus. Das Wort „schuldig“ ist ihm etwa auf Russisch, Polnisch und Türkisch ins Gesicht gestempelt. Der Stereotyp des jungen, gewalttätigen Ausländers, vor dem jeder Angst haben muss, wird benutzt. Die Sätze darunter „Es steht Dir ins Gesicht geschrieben“ und „Die Polizei macht Straftäter sichtbar“ erinnern daran, wie etwa im Nationalsozialismus Menschen nach physiognomischen Merkmalen stigmatisiert wurden.

Gemeint ist doch die Markierung mit der DNA-Flüssigkeit – die ist schließlich kein biologisches Merkmal.

Aber die Polizei suggeriert, dass Verbrechern ins Gesicht geschrieben steht, dass sie welche sind – und das ist Unsinn.

Weil auch Unschuldige markiert werden können?

Das wollte ich demonstrieren. Es ist leicht, Menschen zu markieren, ohne dass sie etwas getan haben. Dann müssen sie sich entlasten. Das widerspricht dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“.

Die Markierung soll doch nur ein belastendes Indiz sein.

Ob das so praktiziert wird, ist fraglich. Nicht ohne Grund hat man die Markerflüssigkeit „DNA“ genannt – hier wird der Unfehlbarkeitscharakter von echten DNA-Tests nahe gelegt. Die angeblich unfehlbare DNA-Markierung schränkt die Entlastungsmöglichkeit des Betroffenen ein – er wird von vornherein als „Schuldiger“ präsentiert. Hinzu kommt, dass privaten Gewerbetreibenden ermöglicht wird, Menschen für längere Zeit als „Straftäter“ zu markieren.

Wie haben denn die Leute reagiert, die Sie markiert haben?

Sie haben nicht verstanden, woher die Markierung kommt und waren perplex.

Sie waren nicht wütend?

Als ich Ihnen sagte, dass es Schwarzlicht-Schminke war, die im Gegensatz zur echten DNA-Flüssigkeit der Polizei wieder abgeht, waren sie beruhigt. Das Plakat fanden viele so reißerisch, dass sie nicht glaubten, dass es original aus dem Polizeiprospekt stammt. Viele haben Unwohlsein über die Methode geäußert, die meisten kannten das DNA-Pilotprojekt nicht. Das regt mich am meisten auf: Das Zeug wird in Bremen immer öfter eingesetzt, ohne dass darüber diskutiert wurde. INTERVIEW: CHRISTIAN JAKOB