VERKEHRSINSELERZIEHUNG
: Blöde Touristen

„Free Pussy Riot“– ob das Kind weiß, was es am Revers trägt?

Neulich am Rosenthaler Platz: Mittevater und Mittekind warten auf der Mittelinsel. Hinten rauscht die Torstraße, vorne ist auch Rot, aber der Verkehr nicht ganz so dicht. Als sich eine Lücke auftut, flitzen drei Jugendliche schnell über den Damm, was beim Mittekind im Grundschulalter natürlich Fragen aufwirft: warum die denn bei Rot rüberdürfen? Da muss der Mittevater nicht lange nachdenken: „Das sind Touristen, weißt du?“ Und dann noch hinterhergeschoben: „Die sind halt nicht so schlau.“ Womit sich der Nachwuchs zufrieden gibt, jedenfalls warten die beiden im Weiteren friedlich schweigend auf Grün.

Der Vater mit dem Kinderfahrrad in der einen und dem Kind an der anderen Hand blinzelt zur Ampel rüber, währenddessen das Kind den Rotz hochzieht und an seiner Jacke zupft, bei der es sich um eines dieser Designerteile handelt, denen man das Designerhafte aber erst auf den zweiten Blick ansieht, wenn man die Prints in Comic-Anmutung und die Verarbeitungsweise genauer betrachtet.

Das gute Stück ist schon etwas abgerockt, und auf der Brust pinnt ein kleiner, runder Button: Free Pussy Riot! Ob der Mittevater dem Mittekind wohl irgendwann mal erklärt hat, dass auf seinem Button „Freiheit für Krawallmuschi“ steht und was das nun wieder bedeuten soll? Oder hat dem Kleinen nur die Farbe gefallen, und den Erziehungsberechtigten waren inhaltliche Kalamitäten am Kinderrevers schnuppe?

Es stellt sich natürlich noch die Touristenfrage: Wie ist das im Urlaub, wenn Mittevater und Mittekind selbst zu Tourivater und Tourikind geworden sind und vor einer ausländischen Ampel stehen? Aber dann springt die Berliner Ampel auf Grün, und das Duo zockelt ab. Alle Fragen bleiben auf der Mittelinsel zurück und werden von minderbemittelten Touristen zertrampelt, bevor sich Antworten gefunden haben. ANTON WALDT