Goleo ist tot – es lebe Thordolf!

Das WM-Maskottchen wird ausgewechselt. Der DFB präsentiert eine neue Werbefigur

Wie sollen die Gegner noch Respekt vor Deutschlands Nationalmannschaft haben?

Es war ein wahrhaft atemberaubendes Spektakel, das die Aktion „Weg mit Goleo“ vor der Frankfurter DFB-Zentrale am Montag dieser Woche veranstaltete. Nach Einbruch der Dunkelheit entzündeten 24 vermummte Aktivisten unter den Klängen des Deutschlandliedes den „Scheiterhaufen der nationalen Schande“ und überantworteten mehr als 300 mitgebrachte Goleos dem Feuer. Da die fussligen WM-Maskottchen zu 100 Prozent aus Polyester bestehen, brannten sie wie Zunder und fügten einem Teil der Veranstalter schwere Rauchvergiftungen zu. Aber das war es den national gesinnten Jungmannen wohl wert.

Hintergrund der gespenstischen Löwenverbrennung: Goleo, das Plüschmaskottchen, gilt den Vereinsmitgliedern als Symbol der Unterwerfung des deutschen Fußballs unter die globalisierte WM-Vermarktungsmaschinerie der Fifa, die im Vorfeld der Weltmeisterschaft beängstigende Ausmaße annimmt. In ihrer Ablehnung des Zotteltiers wissen sich die Goleo-Gegner mit dem überwiegenden Teil der Deutschen einig. „Wenn wir uns schon selbst so vertrottelt darstellen mit einem Löwen, der nicht einmal Hosen anhat“, meint der Vorsitzende der Aktion, Arnim Hohlfelder, „wie sollen die Gegner dann noch Respekt vor Deutschlands Nationalmannschaft haben?“

Das Ganze hat selbstverständlich auch eine politische Komponente. Goleo ist für Hohlfelder eine Ausgeburt der rot-grünen Multikulti-Verbrüderungsideologie, eine unwürdige Anbiederung an den vermeintlich besseren Fußball der romanischsprachigen Länder. „Deutschland, und allem voran der deutsche Fußball braucht sich aber nicht vor der Welt zu verstecken, wir sollten die deutschen Tugenden offensiv hervorkehren. Hart wie Kruppstahl, flink wie Windhunde, zäh wie Leder. Das ist es, was die Welt von einem deutschen Fußballer erwartet – und wovor sie sich fürchtet.“

Der Logik dieser Argumentation mochte sich nach anfänglichem Zögern nun auch der Deutsche Fußball-Bund nicht länger verschließen. Schon das WM-Emblem mit seinen schreidummen Kugelgesichtern im Ecstasy-Rausch war eine katastrophale Entscheidung gewesen. Deshalb soll jetzt wenigstens der durch den wahrlich unsäglichen Goleo entstandene internationale Imageverlust mit einem radikalen Neuanfang ausgebügelt werden. Spät, aber nach Meinung von DFB-Präsident Gerhard Meyer-Vorfelder nicht zu spät. Gemeinsam mit den „Weg mit Goleo“-Kameraden präsentierte die DFB-Spitze auf einer internationalen Pressekonferenz gleich ein neues WM-Maskottchen, das der geänderten Kommunikationsstrategie besser entspricht: Thordolf, ein hammerschwingender rotblonder germanischer Recke, der unsere Gegner tatsächlich das Fürchten lehren könnte.

Thordolf wird in echt erzgebirgischer Heimarbeit aus deutscher Eiche gefertigt und anschließend in einem Duisburger Walzwerk im Stahlbad gehärtet. Thordolf verkörpert in idealtypischer Weise den reinrassig deutschen Torjäger, den raubeinigen Blutgrätscher, den deutschen Rumpelpanzer, den Blitzkrieg-Fußballer, vor dem die Welt schon immer Angst hatte. Und Thordolf ist im Gegensatz zum grenzdebilen Goleo tief im deutschen Wesen verwurzelt: Thor war der germanische Gott des Donners. Der Blitzeschleuderer und Donnergroller hatte die Aufgabe, Götter und Menschen vor allen zerstörerischen und finsteren, lebensfeindlichen Kräften, also vor Holländern oder Polen zu beschützen. Thordolfs Waffe ist der Hammer Klinsir, mit dem er jeden Feind in die Schranken zu weisen vermag. Er ist von treudeutschem, geradlinigem Wesen, aber auch äußerst leicht erregbar und in seinem maßlosen Zorn fürchterlich. Nicht umsonst haben die erzgebirgischen Schnitzer Thordolf die Züge Oliver Kahns, des grimmigen Wächters des deutschen Thores, verpasst.

Der renommierte Spezialist für germanische Mythologie Peter Ameres warnte allerdings auch vor möglichen Auswüchsen eines übersteigerten Thordolf-Kults. In seinem Gutachten über das neue WM-Maskottchen wies er auf eine weitere Besonderheit der germanischen Thor-Verehrung hin: Um Thor gnädig zu stimmen, musste ihm ein Menschenopfer gebracht werden. Bei dem Ritual öffneten unsere Urahnen den Brustkorb des Opfers und entnahmen das Herz. Dann rieben sie sich mit dem Blut des Opfers ein. Sollte Bundestrainer Jürgen Klinsmann ähnliche Formen des Psycho-Dopings in sein Trainingsprogramm aufnehmen, würde das vermutlich nicht auf ungeteilten Beifall der Fifa stoßen. Andererseits: So könnten die deutschen Fußballer bei der WM von Thordolf zum Endsieg geführt werden. RÜDIGER KIND