Auslandseinsatz in Vancouver

SPORTSOLDATEN Fast die Hälfte der deutschen OlympiateilnehmerInnen sind bei der Bundeswehr. Ein Goldmedaillengewinner wirft ihr Sportförderung ohne Grips vor

BERLIN taz | 153 Athleten schickt der Deutsche Olympische Sportbund zu den Winterspielen ins kanadische Vancouver. 62 davon sind Sportsoldaten. In Turin vor vier Jahren waren es sogar 73 von 162. Insgesamt 824 Sportler sind bei der Bundeswehr beschäftigt. Im taz-Interview beklagt Professor Wolfgang Maennig, Olympiasieger im Rudern, diese Praxis. Der Sportförderung des Militärs fehle es an einem Bildungskonzept, und überhaupt herrsche im Spitzensport ein Verdrängungswettbewerb zuungunsten von Nichtsoldaten.

Auch aus der Politik sind kritische Stimmen zu hören. Der Grüne Winfried Hermann, Mitglied des Sportausschusses des Bundestages, findet es zwar gut, „wenn uns friedliche Sportsoldaten in Vancouver repräsentieren“, ihm wäre es aber lieber, wenn es auch in der öffentlichen Verwaltung oder an den Universitäten Sportstellen gäbe. SPD-Politikerin Dagmar Freitag, die Vorsitzende des Sportausschusses, sieht die Nachteile eines auf den ersten Blick „sorgenfreien“ Sportlerlebens in den Reihen der Armee: „Nur ein verschwindend geringer Bruchteil der dort angestellten Athleten hat die Möglichkeit, nach Karriereende als Berufssoldat bei der Bundeswehr bleiben zu können. Für alle anderen stellt sich mehr oder weniger plötzlich die Frage nach dem ‚beruflichen Danach‘. Und da gibt es erschreckende Fälle.“

Wolfgang Maennig findet deutlichere Worte: Das System der Spitzensportförderung stehe für ihn in der Tradition der DDR-„Staatsamateure“, des Gegenteils vom Idealbild des mündigen Athleten. Und bedenklich sei, dass Deutschland hier auch noch als Vorbild für andere Nationen gelte.

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