Neue deutsche Schlagkraft

ENTWICKLUNGSPOLITIK Nachhilfe für die FDP und Minister Niebel: das anschauliche Lehrbuch von Theo Rauch

Als im vergangenen Dezember der neue Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, FDP, in seiner Antrittsrede versprach, „unsere deutsche Schlagkraft im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit“ zu erhöhen, da ging ein zagendes Raunen durch die entwicklungspolitische Community. Wie bitte will er das tun? Vorrangig durch Wirtschaftsförderung hier wie da, „damit unsere Entwicklungspartner auch wirklich Partner werden können, um dadurch auch zusätzliche Chancen für die deutsche Wirtschaft zu eröffnen“. Und, ganz wichtig: „Es ist in unserem Interesse, in unserem Vorgarten, Afrika, dafür zu sorgen, dass Menschen keine Fluchtgründe geliefert bekommen.“ Ah ja! Dafür also ist Entwicklung gut.

Wenige Monate zuvor erschien die als Lehrbuch angelegte Publikation zur Entwicklungspolitik des Berliner Entwicklungspraktikers und Hochschullehrers Theo Rauch. Das Buch ist eine kluge, hervorragend strukturierte, informationsreiche Fundgrube, ein Plädoyer für die Möglichkeit gelingender Entwicklung. Theo Rauch ist der festen Überzeugung, Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit können ihre immer wieder unterschiedlich beantwortete Dauer-Legitimationskrise überwinden.

Das Dilemma, die unerreichbare nachholende Entwicklung ebenso wie eine im Einzelnen erst noch zu erfindende globale nachhaltige Entwicklung, löst Rauch durch die Definition von Entwicklung als „Prozess, der zunehmenden Fähigkeit zur kontextgerechten und selbstbestimmten nachhaltigen Problemlösung unter besonderer Berücksichtigung des Problems unzureichender Grundbedürfnisbefriedigung“. In geschickter Schachtelung werden die Ebenen global, national, regional, lokal mit den Dimensionen ökonomisch, ökologisch, politisch-institutionell, gesellschaftlich aus der Perspektive von Handlungsstrategien, Verfahrensweisen und Instrumenten durchbuchstabiert. Charts, Schaubilder, Tabellen, Organigramme, Karikaturen und Fotos verdichten das Gesagte und geben hervorragendes pädagogisches Material ab.

Es klirrt und schrammt

Und doch ist da gelegentlich etwas, das klirrt und schrammt. „Die globalen Verwertungsinteressen des Kapitals“ und „das sich global organisierende Kapital“ stehen unvermittelt neben „Bedenkenträgern“ und „Nutznießern“, linke Sprachhülsen neben rechten. Rauchs wiederkehrende Beschwörung von Synthese und Kombination scheint sich hier im oft kaum vermittelten Nebeneinander durchzuschlagen. Auch die Beziehung zwischen Entwicklungszusammenarbeit und Entwicklungspolitik leidet darunter. Kundig und überzeugend dargelegten Strategien, die beispielsweise der Überlebenssicherung Priorität einräumen, folgen lapidare und illusionäre Aussagen: dass auf allen Ebenen die gleichen ethischen Grundsätze handlungsleitend sind, dass kleingewerbliche Produktion sich global gegen kapitalintensive durchsetzt, dass globale Regulierung die Marktchancen der Entwicklungsländer sichert. Hier spricht der erfahrene und reflektierte Praktiker der Entwicklungszusammenarbeit, den die politischen Rahmenbedingungen immer wieder im Stich lassen. Dessen Instrumentarium aber auch nicht über den Bannkreis seiner Fachlichkeit hinausreicht und ihm erlauben würde, an kritische Denkentwürfe und alternative Kräfte Anschluss zu finden. CLAUDIA VON BRAUNMÜHL

Theo Rauch: „Entwicklungspolitik. Theorien, Strategien, Instrumente“. Westermann, Braunschweig 2009. 383 Seiten, 27,95 Euro