„Keine Input-Seminare“

POLITISCHE JUGENDBILDUNG Der Bildungsträger „Arbeit und Leben Hamburg“ verspricht, in seinen Seminaren 2010 Jugendliche und Politik hautnah zusammenzubringen

„Die Jugendlichen merken schnell, dass auch der eigene Alltag politisch sein kann“

Jens Schmidt, Arbeit und Leben

VON UTE BRADE

Einen eigenen Staat „Utopia“ kreieren, die Zusammenhänge von Rechtsextremismus und Musik erforschen, sich fragen, wem eigentlich der Hamburger Hafen gehört oder offen über Sex diskutieren – das können 14- bis 26-Jährige in Veranstaltungen des Vereins „Arbeit und Leben“.

Der bundesweite Bildungsträger bietet Seminare zur politischen, sozialen und beruflichen Bildung und Weiterbildung an. Jedes Jahr gibt es ein Programm, das Workshops und Diskussionen speziell zur politischen Jugendbildung enthält. „Das sind keine klassischen Input-Seminare“, sagt Annette Kohlmüller, Pressesprecherin des Vereins. „Wir möchten den Jugendlichen einen neuen Zugang zu politischen Inhalten ermöglichen.“ Und zwar nicht in einem stickigen Seminarraum, sondern draußen: Im Klettergarten in der Schanze, am Hafen, in der Innenstadt, beim türkischen Gemüsehändler um die Ecke.

Ziel sei es, die Jugendlichen zu motivieren, aktiv zu werden, und ihnen ein Forum zu bieten, in dem sie eigene Positionen entwickeln und ihre Meinung äußern können. Gedacht sind die Angebote für Sozial- und Bildungseinrichtungen oder Schulklassen, die beispielsweise ihre Projekttage mit einem Seminar verknüpfen können. Die Hauptzielgruppe bilden Jugendliche zwischen 15 und 20 Jahren, eher Nicht-Gymnasiasten, die mit politischen Themen bisher nicht viel Berührung hatten. „Die Jugendlichen merken schnell, dass auch der eigene Alltag politisch sein kann“, sagt Jens Schmidt, der die Seminare organisiert.

Die Angebote seien „lebendig“, sollen Lust auf Politik machen und gleichzeitig bilden. Klingt gut. Aber worum geht es in den Seminaren, die Titel haben wie „Wünsch dir was!“, „Let’s talk about sex!“ oder „A love song!?“ ? Der Theaterworkshop „Wünsch dir was!“ ist dieses Jahr neu im Programm, die Jugendlichen bekommen die Chance, ihre Vorstellung von einer perfekten Gesellschaftsform in einem Theaterstück zu kommunizieren – in ihrem eigenen Staat: Utopia. Teilnehmer des Workshops „Digital Natives“ beschäftigen sich mit der eigenen Netzpräsenz auf Web 2.0-Plattformen wie StudiVZ, Facebook oder Twitter. Diskutiert wird über personalisierte Werbung, Rechte im Netz und neue Möglichkeiten, politisch aktiv zu werden: War-Blogs in den USA oder Twitter als Protestmedium im Iran. Bei „Let‘s talk about sex!“ geht es darum, Klischees über Sex aus der Welt zu räumen, über Rollenbilder und alternative Geschlechterrollen zu diskutieren und zu fragen: „Wie muss eigentlich ein ‚richtiger Mann‘ oder eine ‚richtige Frau‘ sein?“ Da läuft dann auch mal ein 16-jähriger Hiphopper in Frauenkleidern durch die Stadt – geschminkt – und fängt die Reaktionen mit der Kamera ein. „Die Jugendlichen sollen lernen, über ihren Schatten zu springen“, sagt Annette Kohlmüller.

Rund 20 Freiberufler zwischen 25 und 40 Jahren, genannt Teamer, sind für die Seminare zuständig. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen: Pädagogen, Politologen, Historiker, auch ein Chemiker und ein Bestattungsunternehmer sind dabei. Termine für die Seminare gibt es nicht, Zeitraum und Preis werden individuell abgesprochen. „Das ganze Konzept“, sagt Kohlmüller, „ist flexibel bei uns.“ Auch der Ort ist nicht festgelegt, in Hamburg, aber auch außerhalb der Stadt werden die Seminare angeboten. Eine Anmeldung ist nur als Gruppe möglich.

Programm kostenlos bei: Arbeit und Leben, Besenbinderhof 60, 20097 Hamburg oder unter www.hamburg.arbeitundleben.de