Störche, Kinder, Hunderassen

Am morgigen Mittwoch wollen alle drei Fraktionen in der Bürgerschaft das verschärfte Hamburger Hundegesetz beschließen. Rasse und Gefährlichkeit stehen nicht in direktem Zusammenhang, meint die Psychologin Margrit Schreier im taz-Interview

Interview:Christine Jähn

taz: Das Hamburger Hundegesetz geht davon aus, dass bestimmte Rassen gefährlicher sind als andere.

Margrit Schreier: Es gibt durchaus einen Zusammenhang zwischen der Zahl der Störche und der Zahl der Kinder. Das hängt halt damit zusammen, dass es in ländlichen Regionen mehr Störche und zugleich auch mehr Kinder gibt als in einer Stadt. Niemand würde heute noch deswegen sagen, dass Störche die Kinder bringen. Gene sind nicht deterministisch, was das Verhalten anbelangt. Das hat auch viel mit den Umständen zu tun.

Gibt es denn überhaupt genetische Unterschiede zwischen den Rassen?

Es gibt Tiere, die auf ein bestimmtes Wesensmerkmal hin gezüchtet worden sind, zum Beispiel für die Jagd oder auch, um ein größeres Aggressionspotenzial zu haben. Aber das sind keine Festlegungen. Tiere werden vielmehr zu einem bestimmten Verhalten trainiert.

Wie ist das Verhältnis zwischen Genen und Erziehung?

Ob ein Potenzial zum Tragen kommt, hängt davon ab, wie mit dem Tier umgegangen wird. Wenn der Mensch den Hund nicht gut erzieht, dann wird es problematisch.

Kann ein Hund sein Verhalten plötzlich ändern?

Eigentlich nur dann, wenn ein Hund umerzogen worden ist. Wenn er dann mal Angst hat, kann sein früheres Verhalten wieder geweckt werden. Ein Tier, das nie Angst hatte, kann auch nicht kippen.

Was kennzeichnet eine gute Hundeerziehung?

Der Mensch muss eben der dominantere Hund sein. In der freien Wildbahn würde ein Hund in einem hierarchisch organisierten Rudel leben. Damit er sich in die menschliche Gesellschaft einfügen kann, muss er beispielsweise lernen, dass er sich sein Essen nicht vom gedeckten Tisch holen darf. Der Mensch muss sich als der Führer im Rudel etablieren.

Und wenn Herrchen und Frauchen dafür ein zu weiches Herz haben?

Hundeschulen helfen Haltern, ihre Rolle zu finden.

Im Hundegesetz hat die Rasseneinteilung Priorität. Gilt hier: Im Zweifel gegen den Angeklagten?

Hier soll wohl auf Nummer Sicher gegangen werden, zum Schutz des Menschen.

Halten Sie dieses Vorgehen für gerechtfertigt?

In dieser Gesellschaft werden nun mal die Rechte des Menschen stärker gewichtet als die von Tieren. Die Erziehung der Hunde und das Verhalten ihrer Besitzer sollen ja immerhin durch Wesenstest und Hundeführerschein berücksichtigt werden.

Dies widerspricht aber nun der Idee vom Hund als Partner oder Kuschelfreund.

Vielen alten Menschen strukturiert ein Tier den Tag, es ist Anlass für Kommunikation, man kommt an die frische Luft. Man kann das seidig weiche Hundefell bürsten. Viele meinen auch, dass das Tier sie so akzeptiert, wie sie sind. Je mehr Funktionen ein Tier erfüllt und desto weniger Menschen in unmittelbarer Nähe sind, desto mehr kann ein Hund auch einen Menschen ersetzen. Dann kann es auch zu einer starken Vermenschlichung des Tieres kommen.

Wie meinen Sie das?

Wir denken in bestimmten Kategorien, die nichts Absolutes sind. Das merkt man dann, wenn man in eine andere Kultur kommt, auch in Subkulturen im eigenen Land: unter Älteren, unter Jugendlichen oder unter anderen sozialen Gruppierungen, in denen andere Wertmaßstäbe gelten. Und wenn wir den Hund vermenschlichen, heißt das, das wir ihn durch die Brille unserer menschlichen Kategorien sehen.

Haben Sie selbst einen Hund?

Ich habe zwei Katzen. Als Kind hatte ich über viele Jahre einen Hund.