Verführerische Regisseurin

Dann ist das so verführerisch, dass man ihr noch Jahre später hoffnungslos verfallen ist

Einen ihrer großartigsten Auftritte hat die Schauspielerin und Regisseurin Valeria Bruni Tedeschi in „Nénette et Boni“, einem Film von Claire Denis aus dem Jahr 1996. Sie spielt darin eine Nebenrolle, eine Bäckerin, die am liebsten einen rosafarbenen Angorapullover trägt. Wenn sie sich über die Auslage der mit Sahne und Creme kunstvoll gefüllten Gebäckstückchen beugt und die feinen Wollhärchen sie wie ein Gespinst umgeben, dann ist das so verführerisch, dass man ihr noch Jahre später hoffnungslos verfallen ist. Wie vielen anderen von Bruni Tedeschi gespielten Figuren eignet dieser Bäckerin eine eigentümliche Mischung: Nachlässigkeit trifft auf Sex Appeal, neurotisches Verhalten auf Charme und Intelligenz.

Wenn am Mittwochabend die 66. Filmfestspiele von Cannes beginnen, dann wird Valeria Bruni Tedeschi eine besondere Rolle zuteil. Sie ist die einzige Regisseurin, die im Wettbewerb vertreten ist. Außer ihrem „Un château en Italie“ („Ein Schloss in Italien“) konkurrieren 19 Filme um die Goldene Palme, alle stammen von Regisseuren.

Bisher hat Bruni Tedeschi, die 1964 in eine Turiner Industriellenfamilie hineingeboren wurde und, nachdem diese aus Furcht vor einer Entführung der Kinder das Land verlassen hatte, in Frankreich aufwuchs, zweimal selbst Regie geführt, bei „Il est plus facil pour un chameau“ („Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr“, 2003) und bei „Actrices“ („Schauspielerinnen“, 2007). Im ersten Film geht es um eine junge, reiche Frau italienischer Herkunft, die in Paris heimisch zu werden versucht, ohne dass ihr dies so recht glückt. Ihres Wohlstands wegen plagt sie das schlechte Gewissen; in einer großartigen Szene lehnt sie sich weit aus einem Autofenster und schmettert die Internationale, während der Sportwagen über die Pariser Boulevards braust. „Actrices“ (2007), der zweite Film, kreist um eine Theaterschauspielerin, die in eine Krise gerät. Die Mutter dieser Figur wird von Bruni Tedeschis eigener Mutter gespielt, die Schwester, ein Model, von Chiara Mastroianni. Im wirklichen Leben ist Carla Bruni die Halbschwester.

In allen drei Filmen spielt Valeria Bruni Tedeschi die Hauptrolle, an den Drehbüchern haben jeweils Noémie Lvovsky und Agnès de Sacy mitgewirkt, zwei französische Filmschaffende, die sich auf dem Terrain der Tragikomödie hervorragend auskennen. Ein Talent, das Bruni Tedeschi mit ihnen teilt. CRISTINA NORD