„Keine echten Belege“

DISKUSSION „Herausforderung Demenz“ ist einer der Schwerpunkte des 9. Bremer Pflegekongresses

■ 57, engagiert sich seit 2002 in der Heim-Mitwirkung, einer Interessenvertretung für pflegebedürftige Menschen.

taz: Herr Leopold, die Journalistin Cornelia Stolze stellt die These auf, Alzheimer gebe es gar nicht – ist das Provokation oder meint sie das ernst?

Reinhard Leopold: Naja, der Titel ihres Buches „Vergiss Alzheimer – die Wahrheit über eine Krankheit, die es gar nicht gibt“, ist natürlich provokant. Aber wer genau hinschaut, sieht, dass sie recht hat. Denn so ungeheuerlich es scheint: In Wirklichkeit weiß niemand, was Alzheimer eigentlich ist, niemand kennt die Ursachen.

Da sagen aber viele Ärzte etwas anderes ...

Nun, es gibt Verfahren, die angeblich eine Erkrankung feststellen können, und zwar anhand sogenannter Plaques, das sind sichtbare Ablagerungen in der Hirnsubstanz. Die sogenannte „Nonnenstudie“, bei der in den USA die Gehirne verstorbener Nonnen untersucht wurden, hat allerdings ergeben: Manche hatten Ablagerungen und Alzheimer – manche waren aber trotz identisch ausgeprägter Ablagerungen bis zu ihrem Tode geistig absolut fit.

Aber dass dieses Krankheitsbild existiert, ist doch unstrittig, oder?

Natürlich gibt es das Phänomen der Demenz. Dabei wird aber oft nicht danach geschaut, dass viele alte Menschen Medikamente schlucken, die Nebenwirkungen haben, dass sie zu wenig trinken, dass sie an Diabetes oder an psychischen Erkrankungen leiden – dementielle Erkrankungen hängen sehr oft damit zusammen.

Aber es gibt doch Medikamente gegen Alzheimer. Setzt deren Vergabe nicht eine vernünftige Diagnose voraus?

Demenzkranke zu untersuchen, ist aufwändig. Da ist es doch einfacher zu sagen: das ist Alzheimer. Bei Alzheimer-Medikamenten bin ich sehr skeptisch, denn es gibt keine echten Belege dafür, dass sie wirken. Aus meiner Sicht ist das reine Geschäftemacherei der Pharma-Industrie.

Welche Alternativen gibt es?

Zum Beispiel eine bessere Pflege. Themen des Pflegekongresses werden ja auch Ernährung, Gewalt in der Pflege oder Umgang mit herausforderndem Verhalten von Dementen sein. Um gut pflegen zu können, müssen die Arbeitsbedingungen deutlich verbessert werden: geht es den Pflegekräften gut, geht es auch den Pflegenden gut. Interview: SCHN

15. und 16. Mai, Halle 4, Messe Bremen