Hamburg will Hauptschulen abschaffen

Der Stadtstaat stellt sein sechsgliedriges Schulsystem infrage. Eine von der Bildungssenatorin einberufene Expertenrunde diskutiert eine Aufteilung in Gymnasium und „Stadtteilschule“. Für die Hauptschule ist im neuen Modell kein Platz mehr

VON MIRJAM MEINHARDT

Der Stadtstaat Hamburg ändert seine Bildungspolitik. Aus sechs mach zwei, heißt das vorläufige Konzept. Die unterschiedlichen Schulformen – Gymnasium, Aufbaugymnasium, Gesamtschule, Real- und Hauptschule sowie integrierte Haupt- und Realschule – erschweren die Orientierung. Das neue Hamburger System besteht nur noch aus zwei Schultypen, Gymnasium und „Stadtteilschule“. Diese Aufteilung könnte richtungsweisend für die anderen Bundesländer sein.

Nach den erschütternden Ergebnissen der Pisa-Studie fordern Experten eine grundlegende Umstrukturierung der Schullandschaft. Pisa-Spitzenreiter wie Finnland lassen ihre Schüler möglichst lange gemeinsam lernen. Deshalb steht auch in Deutschland das vorherrschende, gleich nach der Grundschule separierende System nun zur Diskussion.

Die Hamburger Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) hat eine Expertenrunde einberufen, die die Umstrukturierung diskutieren und planen soll. „Endlich bewegt sich die CDU“, sagt die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Britta Ernst. „Die Zergliederung der Schulen müssen wir abschaffen. Da sind sich die Parteien grundsätzlich einig.“

Nicht nur inhaltlich könne man den Problemen begegnen, die Pisa und Co aufgezeigt hätten, sagt der Sprecher der Bildungssenatorin, Alexander Luckow. „Die Strukturen müssen überdacht werden.“

Obwohl sich die Runde erst einmal getroffen hat, kursieren schon konkrete Vorschläge. Professor Reiner Lehberger von der Universität Hamburg ist klarer Befürworter des „Zwei-Säulen-Modells“. Neben dem Gymnasium möchte der Experte ein integriertes Modell installieren, das grundsätzlich auch die allgemeine Hochschulreife als Schulabschluss ermöglicht. „Damit gäbe es zwei Wege zum Abitur“, erklärt Lehberger.

Das Gymnasium nach skandinavischem Vorbild ganz abzuschaffen und nur noch eine Schule zu haben, sei politisch noch nicht durchsetzbar. „Die zweigliedrige Schulreform ist ein wichtiger Zwischenschritt.“ Außerdem seien die Lehrer nicht gewohnt mit heterogenen Lerngruppen zu arbeiten, erläutert Lehberger. Einfach die Gesamtschulen zu kopieren, habe wenig Sinn. Auch das zeige Pisa.

„Vor allem muss die zweite Säule neben dem Gymnasium attraktiv sein. Deshalb sollten die Schüler auch dort ihr Abitur machen können“, sagt Lehberger. Nach dem neuen Konzept könnten die Schüler auf dem Gymnasium in acht Jahren zur Hochschulreife kommen, auf der integrierten Schule in neun. „Laut OECD brauchen wir dringend mehr Abiturienten und Studenten. Das neue Schulsystem wäre ein Schritt in diese Richtung.“

Auch die Handwerkskammer in Hamburg könne sich mittlerweile für die Umstrukturierung der Schulen in Hamburg erwärmen. Industrie- und Handelskammer ließe sich sicher auch überzeugen, erklärt Lehberger. „Die Hauptschulen kommen ihrem Hauptauftrag, nämlich der Vermittlung der Schüler ins duale Ausbildungssystem nicht nach.“ In Hamburg sind es nur rund 18 Prozent der Hauptschüler, die den Sprung in eine Ausbildung schaffen, in Bayern sogar noch weniger. Als die Hauptschulen 1964 eingeführt wurden, seien sie eigentlich für den Großteil der Schülerschaft gedacht, sagt Lehberger. Heute landen dort aber eher diejenigen, die es nicht auf eine andere Schule geschafft haben. „Für die Hauptschulen gibt es keine Argumente mehr, dafür muss sich niemand mehr einsetzen“, sagt Kommissionsmitglied Lehberger, „aber für die betroffenen Schüler sehr wohl.“