Hohe Schule des Dazwischenseins

Verweilen im Bambus: Drei chinesische MalerInnen stellen in Eimsbüttel Tuschezeichnungen und Kalligraphien aus. Wo die deutsche Sprache viele Wörter braucht, um etwas zu beschreiben, benötigt das Chinesische jeweils nur ein Zeichen

Von Katrin Jäger

Wer schlendert, der geht und verweilt gleichzeitig, wer etwas einräuchert, der nimmt langsam aber stetig darauf Einfluss, aus Rohjade wird einmal Edles, die Reiskleie umhüllt das weiße Korn, enthält Nährstoffe und landet trotzdem im Abfall. Was haben diese Dinge und Zustände gemeinsam? Sie bezeichnen das Dazwischensein. Die deutsche Sprache braucht viele Wörter, um dies zu beschreiben, das Chinesische jeweils nur ein Zeichen.

Die alten Schriftzeichen sind immer beides, Bedeutungsträger und Kunst. Die vier Kalligraphien des Dazwischenseins hängen an der dunkelroten Wand in der Ausstellung im Bistro „Hohe Schule“ in Hamburg-Eimsbüttel. Der chinesische Künstler Liu Yu hat sie gemalt oder geschrieben – für ihn kein Unterschied. Liu Yu arbeitet mit Schwung, die offenen Quadrate in einem Zeichen schreien den Betrachter an, das Zeichen bedeutet „Lärm“.

Weiter hinten im Raum hat Xiomin Liu seine Bambusbilder aufgehängt. Bambus mit dickem Stamm, Bambus im Wind, Bambus mit nur einem Blatt, Bambus unscheinbar am Rand des bräunlichen Reispapiers. Je nach Platzierung, nach Blätterform und Stängel, je nach Tuschestrich symbolisieren die Bilder für den Maler Unterschiedliches. Der starke Stamm Lebenskraft, die wehenden Blätter „eine Leichtigkeit, die dennoch locker ist, also Freiheit“, die freie Fläche mit dem randständigen Bambus soll die Phantasie anregen.

„Bambus kann alles ausdrücken“, sagt Xiomin Liu, manche Maler in China würden ihr ganzes Leben lang nur Bambus malen. Er selbst nicht, obwohl die „Hohe Schule“ nur Bambus von ihm zeigt. Xiomin Liu hat in China malen gelernt, hat dann in Hamburg an der HfbK studiert und lebt hier. Er malt auch die Speicherstadt, oder in tuschgenauer Nahaufnahme eine Frau, die sich vor dem Spiegel schminkt. Unabhängig von den Motiven bleibt seine Technik gleich: „Chi fließt, ich bin im Bild, und wenn das Telefon klingelt, dann brauche ich erst eine Zeit, um wieder im Bild zu sein.“

Meditativ malt auch Lu-Ping Tan-Storjohann. Die Tuschzeichnungen der ältesten der drei Ausstellenden hängen im vorderen Raum. Hinterm Tresen: Bambus, von der Pinselführung anders als der ihres Kollegen im hinteren Raum. Lu-Ping Tan-Storjohann arbeitet in Schichten. Ein erstes Motiv, eine Blume, ein Schriftzug, ein Tier, ätzt sie chemisch ins Reispapier, so dass es sich hell absetzt. Darauf tuscht die Malerin eine Pflanze, ein Tier, eine Landschaft. Oft malt sie ein eigenes Gedicht mit drauf, in chinesischen Schriftzeichen. Die kleinen Gedichte sind häufig Metapher für Gesellschaftskritik an den chinesischen Verhältnissen.

Weil Lu-Ping Tan-Storjohann die gern und oft übt, unterliegen viele ihrer Bilder in China der Zensur. Seit mehr als 20 Jahren lebt und arbeitet die Malerin und Schriftstellerin deshalb in Deutschland. Zum Hineinversenken laden alle Bilder der drei chinesischen Maler in der „Hohen Schule“ ein. „Sie wirken ins Unbewusste, dann schmeckt das Essen besser“, lächelt Organisatorin Margot Neubert-Maric. Die gelernte Filmcutterin hofft, mit der Ausstellung im Bistro Menschen zu erreichen, die nicht in eine Galerie gehen würden. Auf Nachfrage führen die Künstler persönlich in ihre Bilder ein.

Die Ausstellung ist bis Ende April im Bistro Hohe Schule, Lutterothstr. 7, in Eimsbüttel zu sehen