Dauerhafte Gefahr

Angesichts des Vordringens der Vogelgrippe haben Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (CSU) und seine Länderkollegen gestern in Berlin über weitere Schutzmaßnahmen beraten. Nach Seehofers Worten wird „höchstwahrscheinlich“ erneut eine Stallpflicht für Federvieh angeordnet, wie schon zum Vogelzug im Herbst. Über eine entsprechende Eilverordnung soll noch im Januar entschieden werden. Eine Infektion von Hühnern, Gänsen und Enten in landwirtschaftlicher Haltung droht nach Ansicht von Experten aber erst ab Ende Februar oder Anfang März.

Der Deutsche Bauernverband unterstützte Seehofers Vorhaben. „Wenn der Seuchenzug so bleibt, müssen wir im Februar wieder eine Stallpflicht ausrufen“, sagte DBV-Präsident Gerd Sonnleitner. Er befürwortete auch schärfere Grenzkontrollen: „Wir müssen wegen des starken Personen- und Warenverkehrs etwa mit der Türkei höllisch aufpassen“, sagte er. „Es ist teilweise unglaublich, was von dort an Federvieh, tierischen Produkten und Lebensmitteln eingeführt wird.“

Seehofer hat sich zudem gegen die Ausstellung von Geflügel auf der Grünen Woche in Berlin ausgesprochen. Das Risiko ist seiner Ansicht nach zu groß. Bislang ist die Ausstellung von Rassegeflügel und exotischen Vögeln in zwei Hallen vorgesehen. Allerdings werde jedes Tier einzeln untersucht, bevor es auf dem Gelände zugelassen werde, teilte Messedirektor Karel Heijs mit. Ohnehin sollten nur 20 bis 25 Stück Rassegeflügel und einige Papageien gezeigt werden – „alles Tiere aus der Region Berlin und Brandenburg“, sagte ein Messesprecher der taz. „Falls die Amtstierärzte nicht doch noch etwas Gegenteiliges sagen, werden diese Tiere zu sehen sein.“

Für Aufregung hatte zuvor der Leiter des Influenza-Programms der WHO, Klaus Stöhr, gesorgt. Die Gefahr, dass der Vogelgrippeerreger auf der Messe durch Kontakte von Tieren untereinander sowie durch Kontakte zwischen Mensch und Tier verbreitet werde, sei relativ hoch, meinte Stöhr. Deshalb seien strenge Personen- und Tierkontrollen sinnvoll. Doch er betonte gleichzeitig: „Ich denke nicht, dass von der Grünen Woche eine Gefahr mit Blick auf die Vogelgrippe ausgeht.“

Die Gefahr für Geflügel ist ein Problem, die Unsicherheit in der Bevölkerung ein anderes. Rund ein Viertel der Bundesbürger haben laut einer Forsa-Umfrage für den Sender n-tv Angst vor der Seuche – im Oktober waren es noch 16 Prozent. Doch Experten sehen derzeit noch keinen Beweis dafür, dass es eine Übertragung des Virus von Mensch auf Mensch gibt. Bislang geht es nur von infiziertem Geflügel auf Menschen über. Bewiesen ist bisher, dass Zugvögel für die globale Weiterverbreitung verantwortlich sind. Die große Gefahr, die das Virus in Südostasien oder in der Türkei verursacht, rührt daher, dass die Menschen dort sehr eng mit dem Geflügel zusammenleben.

In China wurden inzwischen zwei weitere durch Vogelgrippe verursachte Todesfälle bekannt. Ein 10-jähriges Mädchen und eine 35 Jahre alte Frau erlagen dem gefährlichen Vogelgrippe-Erreger H5N1, sagte ein WHO-Sprecher in Peking. Das chinesische Gesundheitsministerium habe die Organisation über die Todesfälle informiert, die sich bereits im Dezember ereigneten. Die Volksrepublik hat bislang 8 Fälle von H5N1-Infektionen beim Menschen gemeldet, 5 davon tödlich. Der türkische Regierungschef Erdogan sagte in Siirt im Südosten des Landes, bei zwei der gemeldeten Vogelgrippepatienten in der Türkei seien Schwierigkeiten aufgetreten.

Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Türkei angemessen auf den Ausbruch der Krankheit reagiert. Das türkische Gesundheitsministerium habe alles unternommen, um die schwierige Lage in den Griff zu bekommen, sagte WHO-Regionalleiter Marc Danzon in Ankara. Auch die EU-Kommission zeigte sich mit der Krisenbekämpfung in der Türkei zufrieden. AFP, DPA, REUTERS, TAZ