Hunger-Opfer der Zinshungrigen

Acht Tage weigerte sich die Postbank, einer Kundin ihr Geld auszuzahlen. Schuld? Der Massenandrang von Sparern

Bremen taz ■ „Ich stand da und habe geheult.“ Wenn Katrin S. an ihren ersten Besuch bei der Postbank im neuen Jahr denkt, zittert ihre Stimme. 3. Januar, Postfiliale in der Woltmershauser Straße: Katrin S. hat noch gut 200 Euro auf ihrem Konto, der Rest vom Arbeitslosengeld II. Zweieinhalb Wochen lang muss das der alleinerziehenden Mutter reichen, um sich und ihre fünf Kinder durchzufüttern: bis das Kindergeld kommt. Katrin S. weiß, wie man sparsam wirtschaftet. Was sie nicht weiß: Wie sie an ihr Geld kommt. „Auszahlung nicht möglich“, meldet der Automat, „wegen einer technischen Störung“. Die Kassiererin, die Katrin S. um Hilfe bittet, muss nach zwei Versuchen ebenfalls passen. „Versuchen Sie es heute Abend nochmal“, rät sie.

Es nützt nichts. „Karte nicht gültig“, meldet nun der Automat. Am Schalter heißt es: Kein Geld mehr auf dem Konto. Katrin S. hat Pech gehabt.

„Die Postangestellte hat mir erklärt, dass der Automat wohl einen Fehler gemacht und das Geld ausversehen als ausgezahlt verbucht habe“, berichtet die Geprellte. „Wovon soll ich jetzt leben“, fragt sie. Die Antwort ist ein Schulterzucken. Der ganze Automat müsse überprüft, ein Nachforschungsauftrag gestellt werden, teilt ihr die Post-Frau mit: „Das kann dauern.“

Es dauert in der Tat. Sechs Tage lang wartet Katrin S. auf ihr Geld, dann marschiert sie zur Postbank-Zentrale an der Domsheide. Das Geld würde ihrem Konto gutgeschrieben, sowie es aufgefunden würde, teilt man ihr mit. Wann das sei? „Das kann dauern.“ „Ich hätte erwartet dass die sich da ein wenig mehr dahinterklemmen“, sagt Katrin S.

Eine Freundin hilft ihr mit ein wenig Essen aus, ihre Mutter knappst 20 Euro von ihrer spärlichen Rente für sie ab. „Ab morgen weiß ich nicht“, sagt Katrin S. Ihr Kühlschrank ist fast leer. „Soll ich jetzt Wasser essen?“, fragt sie.

„Performance-Schwankungen“, heißt es bei der Postbank, seien für die Auszahlungs-Sperre und das irrtümliche Abbuchen des Geldes von Katrin S.’ Konto verantwortlich. Das Computersystem, an dem auch die Geldautomaten hingen, sei überlastet gewesen – weil Anfang des Jahres massenweise Postbank-Kunden ihre Zinsen ins Sparbuch hätten eintragen lassen. Der Woltmershauser Automat sei dabei wohl „in die Knie gegangen“.

Gestern, acht Tage nach dem Zwischenfall, sind die im elektronischen Wirrwarr verloren gegangenen gut 200 Euro übrigens wieder aufgetaucht – und wurden prompt dem Konto von S. gutgeschrieben. Wie die Bank-Kundin jetzt an ihr Geld kommt? Ganz einfach: „Am Automaten. Der geht jetzt wieder.“ sim