Zu Tode gerettet

Das Frankfurter Institut für Sexualwissenschaft bleibt bestehen. Aber es muss sich über Drittmittel finanzieren

Seit Anfang der Siebziger trug es zur wissenschaftlichen Unterfütterung der sexuellen Liberalisierung bei – und dies mit Erfolg: Keine andere Denk- und Forschungsfabrik hat so viel öffentliche Beachtung gefunden wie das Institut für Sexualwissenschaft am Fachbereich Medizin der Universität Frankfurt am Main. Nun sollte es geschlossen werden (siehe taz vom 30. Dezember) – vorbehaltlich einer Sitzung des Fachbereichs.

Diese hat nun stattgefunden, mit einem Ergebnis, das auf den ersten Blick positiv erscheint: ein Kompromiss sei gefunden worden, das Institut bleibe weiter bestehen, sofern es vermag, deutlich mehr als die Hälfte seines Budget in Höhe von 500.000 Euro aus selbst organisierten Drittmitteln zu finanzieren, so der Dekan des Fachbereichs, Josef Pfeilschiffer. Darin liegt das Problem des Kompromisses: Volkmar Sigusch, der Ende des Jahres ausscheidende Direktor des Instituts, nannte den Beschluss „einen halben Abgesang“ – denn mit ihm entziehe die Universität dem Institut die Finanzierung seines Grundbestandes, der für die weitere wissenschaftliche Arbeit und die Behandlung von Patienten erforderlich sei.

Die Frage der Nachfolge, die Pfeilschiffer für fraglich hält, ist für Sigusch leicht zu beantworten. Es gebe allein in Deutschland zwölf, im Ausland weitere Kandidaten, die das Erbe (Ambulanz, Poliklinik, Bibliothek, öffentliche Präsenz) antreten könnten. Seine und die seiner Mitarbeiter Sorge, dass das Institut auf die kalte Art liquidiert werde, ist nicht unberechtigt, zumal nach Verlautbarungen des Dekanats das Institut künftig einen rein biomedizinischen Schwerpunkt haben soll. Ausgeblendet würde damit der gesellschaftliche Charakter all dessen, was Sexualität erst stiftet und ihr (historisch überwiegend ausgrenzende) Namen gibt.

Man würde damit an eine Tradition anknüpfen, die zuletzt in den Fünfzigern Mainstream war: Sexualität als rein biologischen Vorgang zu begreifen, der hormonell und sonst wie exklusiv körperlich zu bannen ist. So gesehen, wäre das Institut nicht mehr das gleiche: eine Lebensrettung zum Tode.

Diese, auf eine Repathologisierung hinauslaufende Schwerpunktsetzung soll nach dem Vorschlag von Jürgen Bereiter-Hahn, Vizepräsident der Universität, dann auch noch von „Gruppierungen von Menschen, deren Sexualität nicht im Normbereich liegt“ mitfinanziert werden. Allein dieser absurde Finanzierungsvorschlag zeigt, wie notwendig ein Institut für Sexualwissenschaft ist, das Sexualität immer auch als kulturelles Konstrukt begreift. Denn die Normen fallen ja nicht vom Himmel und sind auch kein Produkt der Biologie.

Sigusch und die Seinen sollen an der Nachfolgesuche und der mit ihr zusammenhängenden Demontage des Instituts beteiligt werden. Dazu sagt der gerade aus dem Institut ausgeschiedene langjährige Mitarbeiter Martin Dannecker: „Das muss man ablehnen, weil es auf eine Selbstkastration einer kritischen Sexualwissenschaft hinausliefe.“JAN FEDDERSEN