Das Bankgeheimnis im Visier

KONTEN Allein aus Deutschland liegen 260 Milliarden Franken auf Schweizer Banken. Bisher verweigert Bern die Kooperation. Doch der Druck wächst

GENF taz | Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) soll die Daten über deutsche Steuersünder in der Schweiz „nicht ankaufen“ und „keine Geschäfte mit Kriminellen machen“. Dies forderte am Wochenende die eidgenössische Wirtschaftsministerin und amtierende Bundespräsidentin Doris Leuthard (CVP), andere RegierungspolitikerInnen der bürgerlichen Mitte und der rechtspopulistischen SVP schlossen sich an. Die Sozialdemokraten, die die Außenministerin stellen, und die oppositionellen Grünen hielten sich zunächst mit Stellungnahmen zurück.

Auf Konten Schweizer Banken liegen nach Informationen der Bankiersvereinigung rund 330 Milliarden Franken ausländischer Kunden – darunter etwa 260 Milliarden Franken aus Deutschland. Die Schweiz verweigert bislang auch in den laufenden Verhandlungen mit Deutschland, Frankreich und anderen Staaten einen automatischen Informationsaustausch, wie er künftig zumindest in der gesamten EU und auch von der bisherigen Steueroase Lichtenstein praktiziert werden soll.

Im ähnlich gelagerten Streit über hinterzogene Steuern US-amerikanischer BürgerInnen auf Konten der Großbank UBS dürfte es kaum zu der von Bern erhofften Entspannung durch Neuverhandlungen mit Washington kommen. „Neuverhandlungen sind undenkbar“, erklärte der Vorsitzende des Finanzausschusses im US-Repräsentantenhaus, Barney Frank, am Rande des „Weltwirtschaftsforums“ in Davos. Ähnlich äußerte sich ein hochrangiger Vertreter der Obama-Regierung.

Vorletzte Woche hatte das Schweizer Bundesverwaltungsgericht der Berner Regierung die Washington im August 2009 vertraglich zugesagte Herausgabe der Daten von 4.500 US-amerikanischen UBS-KundInnen untersagt. Die Begründung: Einfache „Steuerhinterziehung“ sei im Unterschied zu aktivem „Steuerbetrug“ kein Strafbestand. Aufgrund dieser Zusage hatte Washington Verfahren gegen über 52.000 US-BürgerInnen ausgesetzt, die ihr Geld am heimischen Fiskus vorbei auf UBS-Konten versteckt hatten.

Nach dem Urteil hoffte die Berner Regierung, die Herausgabe der 4.500 Kundendaten könne sich erledigen,weil sich bis zu einer von Washington gesetzten Frist Ende 2.009 möglicherweise mindestens 10.000 der 52.000 US-BürgerInnen selbst angezeigt hätten. Doch dieses Kalkül geht nach Angaben aus Washington nicht auf.

Daher bleibt der Schweizer Regierung nur die Option, dem Parlament den Staatsvertrag mit den USA vom August 2009 nachträglich zur Billigung vorzulegen, verbunden mit einem Gesetz, das rückwirkend auch Steuerhinterziehung unter Strafe stellt und das Bankgeheimnis für diese Fälle aufhebt. Kritik von Juristen, dass dies ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot wäre, wies die Regierung letzte Woche als „unzutreffend“ zurück.

Darauf könnte sich jetzt auch die Berliner Regierung berufen und von Bern nicht nur die 1.500 Kundendaten auf der ihr angebotenen CD fordern, sondern alle Kontendaten deutscher BürgerInnen. ANDREAS ZUMACH