Spaß unterm Dach

Vom Wettkampf zum Event: Hallenfußball lockt zwar die Fans, hat aber kaum mehr sportliche Bedeutung

BERLIN taz ■ Sportfreunde Siegen, SV Wehen, LR Ahlen, Kickers Offenbach – mittlerweile kann man auch mit kleinen Namen große Hallen füllen. Drei Zweitligisten und eine Regionalligamannschaft gab es als Konkurrenz für Eintracht Frankfurt und Mainz 05, und trotzdem war gestern beim Hessen-Cup in Frankfurt die 5.000 Sitzplätze fassende „Ballsporthalle“ voll. Ob bei den bisherigen Turnieren in Köln, Nürnberg oder Oldenburg – Hallenfußball füllt die Ränge. Und das, obwohl die Topteams der Bundesliga meist einen Bogen um das Indoor-Spektakel machen – und der sportliche Wert schon deswegen gegen null tendiert. Nachdem der Deutsche Fußball Bund die Hallenmasters vor vier Jahren ausgesetzt hat, ist aus dem Wettkampf ein Show-Event geworden. Von 1988 bis 2001 ging es nicht nur um einen Titel, sondern auch um eine stattliche Siegprämie. Heute geht es in erster Linie um Unterhaltung, sportlich sind die Turniere ein Kick in der Bedeutungslosigkeit.

Den Vereinen kommt es entgegen, dass in der Winterpause der Ernst vom Spaß abgelöst wurde. „In dieser Form macht Hallenfußball Sinn“, sagt beispielsweise Thomas von Heesen, der Trainer von Bundesligist Arminia Bielefeld. „Man sollte daraus keinen Wettbewerb machen. Wenn es um viel Preisgeld geht, gibt es immer was auf die Socken“, weiß von Heesen. Seine Arminia spielt in diesem Winter bei zwei großen Turnieren und ist zudem Gastgeber einer Veranstaltung mit Traditionsmannschaften. Die Antrittsprämien, nach wie vor willkommene Nebeneinnahme, nutzen die Westfalen für die Kosten des Trainingslagers. „Wir brauchen halt Geld“, sagt von Heesen lapidar. Hallenfußball dient ihm und seiner Mannschaft als und für die Saisonvorbereitung.

Diesen Winter kicken deutsche Profiteams auf acht überdachten Großveranstaltungen mit. Neun Mannschaften aus der ersten, elf aus der zweiten Liga gehen dabei an den Start. Aber die Zahl täuscht: Die meisten Erstligisten sind nur an einem Turnier mit von der Partie, oft als Gastgeber. Das Teilnehmerfeld wird dann hauptsächlich mit Vereinen aus der Region aufgestockt. Das Motto dabei: Viel Unterhaltung für die Fans, gute Einnahmen für die Veranstalter, keinerlei sportliche Relevanz.

Just die sportliche Bedeutung von früher führte zum Niedergang der DFB-Mastersserie. Angestachelt vom durchaus beachtlichen Preisgeld, legten einige Teams satten Einsatz an den Tag. Ihr „engagiertes Spiel“ und der stumpfe Kunstrasen führten schnell zu Verletzungen; lädierte Stars aus der Winterpause wiederum kann sich kein Bundesligist leisten. Folge 1: Viele Spitzenclubs liefen nur noch mit ihrer B-Elf auf. Folge 2: Der Hallenfußball schlitterte in die Krise. Folge 3: Der DFB wandte dem Budenzauber den Rücken zu.

Heute locken die Veranstalter mit regionaler Konkurrenz statt mit nationaler Prominenz. So hat der Hamburger SV zu seinem Turnier diesen Sonntag den VfB Lübeck, den FC St. Pauli und eine Hamburger Amateurauswahl eingeladen. In Nürnberg traten neben dem gastgebenden FC der TSV 1860 München, Greuther Fürth, Wacker Burghausen und die Bayern-Amateure an. So tricksen die Starensembles meist gegen lokale Traditionsvereine. Ein netter Kick, bei dem es keine wirklichen Verlierer gibt – und erst recht keine Verletzten.

Von der aufgebauschten leichten Kost profitieren freilich nicht nur Vereine und Veranstalter, auch der Sportsender DSF, der seit 1995 Hallenfußball überträgt, erzielt mit den Übertragungen sehr gute Quoten, zumal für einen Spartensender. Hallenfußball ist zurück, allerdings nicht als ernstzunehmender Wettbewerb, sondern als Show. Beim Rheinland-Cup in der Kölnarena wurde der Sieger Eintracht Frankfurt von über 15.000 Zuschauern gefeiert, ein Marke, die prompt als Weltrekord verkauft wurde. „Die Stimmung war toll“, findet selbst Eintracht-Trainer Friedhelm Funkel. „Man sieht, dass die Leute die Veranstaltung lieben.“ Seine Mannschaft ist noch bei zwei weiteren Turnieren in Oldenburg und Frankfurt aufgelaufen – und damit eine Ausnahme unter den Bundesligisten. Um die Gesundheit seine Spieler macht sich Funkel keine Sorgen. „Die Kunstbeläge werden immer besser. Die Verletzungsgefahr ist auch nicht größer als draußen.“ Außerdem solle sich jeder Spieler glücklich schätzen, wenn er in der Halle spielen darf: „Hier wird er maximal 24 Minuten belastet, draußen im Training sind es deutlich mehr.“

Auch wenn viele der ganz Großen sich derzeit sträuben, traute sich am Mittwoch sogar ein Champions-League-Teilnehmer in die Halle: Beim Hallenturnier in Oldenburg ist Werder Bremen traditionell mit in der Halle, wie die Bremer überhaupt auch nach der Abschaffung der Mastersserie regelmäßig unterm Dach vertreten sind. „Wir nehmen teil, weil es in unserer Umgebung liegt“, sagt Werders Trainer Thomas Schaaf. In der Halle sei der Kontakt zu den Fans schließlich besonders nah. Schaaf: „Der Hauptgrund ist, rauszugehen und den Fans ‚Danke‘ zu sagen.“

CHRISTIAN MEYER