Die Schwingen des Fantomas

Der Links-Druck im Norden (1): Die Monatszeitung „analyse & kritik“ bedient linke Leser seit 1971 mit Hintergründen und Analysen. Produziert wird in Kellerkatakomben in Hamburg – wobei der Verlag zuletzt leicht expandieren konnte

Die Linke Presse im Norden lebt. Oder sie darbt. Oder sie rockt. Man kann sie lesen oder nicht, nur über sie lesen, das kann man selten. In loser Folge stellt die taz nord deshalb Zeitschriften des Nordens vor, die sich und ihr Publikum politisch links verorten.

„Links sein bedeutet für mich, gesellschaftlich emanzipatorisch zu intervenieren. Links ist für mich eine Positionierung, die nicht zu Lasten von Schwächeren geht, wo keine Herrschaftsverhältnisse reproduziert werden.“ Nicole Vrenegor muss nicht lange überlegen, um zu erklären, was es für sie bedeutet, heute links zu sein. Seit 2001 ist sie Redakteurin der Monatszeitung „analyse & kritik“. „Ich komme aus der feministischen Bewegung, aus der undogmatischen Linken.“ 32 Jahre alt ist Nicole Vrenegor – zwei Jahre jünger als die Zeitung, bei der sie arbeitet. Die erschien 1971 das erste Mal unter dem Namen Arbeiterkampf als „Arbeiterzeitung des Kommunistischen Bundes“ (KB). Geblieben sind das Kürzel „ak“ und der Anspruch, allmonatlich Hintergrundinformationen aus linken Bewegungen für ebendiese zu drucken. Oft wird ein Thema über zwei Zeitungsseiten ausführlich analysiert – keine leichte Kost, aber für linke AktivistInnen informativ. Der vor allem in Norddeutschland aktive KB löste sich 1991 auf, die Zeitung blieb bestehen. Voraus ging ein Zerwürfnis: Die antinationale Fraktion radikalisierte sich mit der Parole „Nie wieder Deutschland“ und gründete eine eigene Zeitschrift, die „bahamas“. Die Mehrheit setzte auf die PDS als linke Massenbasis und machte weiter. Auch heute gibt es neben jüngeren Linken noch ehemalige KB-Mitglieder in der Redaktion.

„1972 wurde ich zuerst nicht in den KB aufgenommen, weil es für Kleinbürger einen Aufnahmestopp gab und vor allem Proletarier in die Organisation kommen sollten“, erzählt Gabi Bauer, 53, heute presserechtlich verantwortliche Redakteurin. Sie war dann aber bis zur Auflösung Mitglied im KB: „Links sein sollte sich nicht auf den Diskurs beschränken. Es geht um den Versuch, etwas zu tun. Nicht immer gleich als linksradikale Politik, das kann auch Unterstützung für Flüchtlinge oder Obdachlose sein.“

Während die beiden Redakteurinnen nicht müde werden, die Praxis zu betonen, wird in den Kellerräumen in Hamburg-Eimsbüttel, deren Miete sich der Verlag gerade eben leisten kann, die 501. Ausgabe produziert. Sechs halbe Stellen können sie finanzieren – einige RedakteurInnen arbeiten unentgeltlich, und Honorar für die AutorInnen gibt es nicht. Die Auflage liegt bei 3.000 Exemplaren. Aber durch das ehrenamtliche Engagement vor allem von ehemaligen KBlerInnen konnte der Verlag vor vier Jahren gar leicht expandieren: Zweimal im Jahr liegt die „Fantomas“ bei, das „Magazin für linke Debatte und Praxis“. Diese Zeitschrift mit längeren, theoretischen Texten erscheint zu Themen wie „Soziale Klassen – soziale Kämpfe“ oder „Staat und Autonomie“. Die erste Ausgabe trug 2002 den programmatischen Titel „Zu rebellieren und zu kämpfen wagen“. Zielgruppe sind junge, akademische Linke, die sich der globalisierungskritischen Szene rund um Attac zurechnen.

Das ist bei ak ähnlich, erklärt Gabi Bauer: „Es gibt eine Fluktuation bei den Abos, jüngere Linke lesen auch ak. Was mich zuerst erstaunt hat, sind junge Leute Anfang 20, die hier ein Praktikum gemacht haben, die sich sehr für die Zeitung eingesetzt haben und einen Freundeskreis haben, in dem man ak kennt.“ So ist ak durchaus auch bei jüngeren linksradikalen BewegungsaktivistInnen bekannt, betont Nicole Vrenegor. Nur: Diese Szene ist derzeit klein.

Gaston Kirsche