Als er ging, war die Welt noch in Ordnung

DER GRIECHE Dionisis Granas wollte in Berlin promovieren. Nun hilft er seinen Landsleuten

■ Walpurgisnacht: Ab 15 Uhr Kundgebung gegen steigende Mieten im Wedding am Bahnhof Gesundbrunnen, 20.30 Uhr Demo von dort. Parallel: 17 Uhr Demo vom Bahnhof Schöneweide gegen Neonaziläden, danach Konzert.

■ 1. Mai: Der DGB zieht um 10 Uhr vom Hackeschen Markt zum Brandenburger Tor, per pedes, auf Fahr- und Motorrad. Auch um 10 Uhr treffen sich Neonazigegner am Bahnhof Schöneweide, um einen dortigen NPD-Aufmarsch zu blockieren. In Kreuzberg wird ab 13 Uhr Myfest gefeiert. Wie immer um 18 Uhr startet die Revolutionäre 1. Mai Demo, diesmal vom Spreewaldplatz bis Unter den Linden. (taz)

Als Dionisis Granas 2010 nach Berlin kommt, ist in Griechenland die Welt noch in Ordnung. Zwei, drei Jahre in Ruhe an der Promotion arbeiten, Europäisches Umweltrecht. Das ist Granas Berlin-Plan. Dann bricht in seiner Heimat die Krise aus. Und der Plan ist hinüber.

Der 29-Jährige ist ein freundlicher Schlaks, der seine Worte mit kreisenden Händen untermalt. Überzeugter Linker, aber kein Dogmatiker. Noch in Thessaloniki ist Granas in einem sozialen Zentrum aktiv, gibt Migrantenkindern Nachhilfe. In Berlin ist er heute Multifunktionär. „Alles nur wegen der Krise.“ Er lacht.

Vor einem Jahr gründet er mit 20 jungen Griechen die Gruppe Real Democracy Now. „Wir kämpfen für unser Leben und unsere Zukunft“, steht in ihrem Manifest. Kommen griechische Minister zum Hauptstadtbesuch, steht die Gruppe auf der Straße. Später tritt Granas auch dem Berlin-Ableger der Syriza bei, den Radikallinken, die in Griechenland fast die Wahlen gewannen. Seit Februar ist Granas Schatzmeister in der hellenischen Gemeinde.

Mit anderen jungen Griechen zog er in den Vorstand, zuvor Hort alter Gastarbeiter – und musste den Verein sofort retten: Das Land hatte die Förderung eingestellt, wegen Verstößen gegen das Rauchverbot. Granas schrieb an den Senat, kontaktierte Parteien. Nun erfolgt die Finanzierung unter Auflagen.

Warum er das alles macht? Granas erzählt von griechischen Neuberlinern, die obdachlos auf dem Flughafen schlafen, die von Behörden abgewiesen, selbst in griechischen Restaurants ausgebeutet würden. „Da kann man doch nicht nichts machen“, sagt er. „Jetzt ist die Zeit, Verantwortung zu übernehmen.“ In der hellenischen Gemeinde gibt er auch Rechtsberatung, begleitet Landsleute ins Jobcenter. Die Promotion muss warten.

„Schmerzhaft“ sei es, den Zusammenbruch der Leben seiner Familie und Freunde aus der Ferne zu verfolgen. Vergangenen Sommer flog Granas mit „großen Hoffnungen“ nach Griechenland, zu den Wahlen. Sie wurden enttäuscht: Die Konservativen siegten – keine Abkehr vom Spardiktum. Dennoch will Granas nach der Promotion zurück in die Heimat. „Wenn alle gehen, hat das Land keine Chance.“

Am 1. Mai wird Granas in Berlin auf der Straße stehen. Erst auf der Demo der Gewerkschafter, abends bei den „Revolutionären“, im Soli-Block für Griechenland. Den Arbeitertag hatte er schon als Ritual abgeschrieben. Mit der EU-Krise, sagt er, habe der Tag wieder eine Bedeutung. „Jetzt kann er zeigen, wofür gekämpft werden muss.“ KONRAD LITSCHKO