Der Krawallo als Kompromiss

WEST Keiner liebt den „bajuwarischen Volkstribun“, und deswegen können sich alle auf ihn einigen

Funktionäre schickten ihn auf „Fortbildungsseminare“ und banden ihn in die Gewerk- schaftsarbeit ein

Nicht dass ihn in seiner Partei niemand leiden kann. Aber weder reicht Klaus Ernst an die intellektuelle Schärfe eines Oskar Lafontaine heran noch an den Charme eines Gregor Gysi. Dafür gilt der „bajuwarische Volkstribun“ – wie Ernst zuweilen auch bezeichnet wird – als zu bissig und aufbrausend.

Geboren 1954 in München, hat Klaus Ernst die typische Laufbahn eines westdeutschen Gewerkschaftsfunktionärs hinter sich. Bereits während seiner Ausbildung zum Elektromechaniker trat der Schulabbrecher der IG Metall bei. Funktionäre wurden auf den talentierten Rhetoriker aufmerksam, schickten ihn auf diverse „Fortbildungsseminare“ und banden ihn in die Gewerkschaftsarbeit ein. Es dauerte nicht lange – und er war Betriebsrat. Schließlich wurde er an der gewerkschaftsnahen Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik aufgenommen, eine Uni, an der man auch ohne Abitur studieren kann.

Noch in seinem letzten Semester holten ihn Freunde der IG Metall nach Stuttgart, wo er 1984 bei der Organisation des großen Metallerstreiks zur Durchsetzung der 35-Stunden-Woche gebraucht wurde. Sein Mentor, der spätere IG-Metall-Chef Klaus Zwickel, stellte ihn als Sekretär für Bildungsarbeit und Sozialpläne ein. Bevor Klaus Ernst in die aktive Politik wechselte, war er gut zehn Jahre lang Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Schweinfurt – und auch Mitglied der SPD. Doch dann kam Hartz IV und die Agenda 2010. Ernst wurde deren größter Widersacher. Bevor die SPD ihn rauswerfen konnte, trat er aus und gründete 2004 die „Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit“ (WASG). Fortan gehörte er zu den Leitfiguren, die den Zusammenschluss mit der PDS in die Wege leitete. Seit 2005 sitzt er für die gesamtdeutsche Linksfraktion im Bundestag.

Die Nominierung zum Chef der Linkspartei hat Klaus Ernst keineswegs seinen politischen Weggefährten aus WASG-Zeiten zu verdanken. Im Gegenteil: Seine grantige und zuweilen auch autoritäre Art schreckt die vor allem basisdemokratisch orientierten GenossInnen aus den zumeist westdeutschen Bundesländern ab. Dass er es auf den vergangenen Parteitagen überhaupt in den Bundevorstand geschafft hat, ist vor allem den Verbänden aus dem Osten zu verdanken.

Böse Zungen aus der Bundestagsfraktion behaupten allerdings: Ein Kompromisskandidat sei Klaus Ernst allemal. Er sei weder im Osten noch im Westen sonderlich beliebt. FELIX LEE