Pastorenfrei erwachsen werden

Die Jugendweihe als Alternative zur Konfirmation ist keine Erfindung der DDR, sondern hat ihre Wurzeln in der deutschen Arbeiterbewegung. Auch im Westen finden die Vorbereitungskurse statt, allerdings mit mäßigem Zulauf

Dieser Tage laufen sie wieder, die Vorbereitungskurse zur Jugendweihe in Norddeutschland. Seit 1860 wird diese Alternative zur Konfirmation in Deutschland angeboten – im Osten wie im Westen. Die Wurzeln liegen in der Arbeiterbewegung, die sich in den „Schulentlassungsfeiern“ eine kirchenfreie Zone für ihren Nachwuchs gesucht hatte.

Ein halbes Jahr lang treffen sich die 13- bis 14-Jährigen für ein bis zwei Stunden pro Woche und reden – über sich und die Welt. Statt um Jesu Leben und Wirken geht es in den Jugendweihe-Kursen vor allem um gesellschaftliche Probleme, um Orientierung für die Heranwachsenden. Mobbing, Umweltthemen, Drogenprobleme, Rassismus – das sind Themen, über die der Sonderschulpädagoge Helmut Sturmhoebel mit den Jugendlichen spricht.

Wenn sie denn dazu bereit sind. „Die jungen Menschen reagieren nicht mehr automatisch aufgeschlossen auf solche Gespräche“, hat der Vorsitzende der Hamburger Arbeitsgemeinschaft Jugendweihe e.V. festgestellt. „Für viele zählt nur noch der aktuelle Tageskonsum.“ Da stößt auch ein gestandener Pädagoge an Grenzen: „Früher hatten wir unendlich viele Inhalte, über die im Unterricht geredet werden sollte. Heute sind es eher zu wenige. Häufig interessieren sich Jugendliche kaum noch für politische Fragen.“

Nicht ganz so pessimistisch sieht es sein Kollege Kai Bräutigam. „Man darf den Vorbereitungskurs nicht so schulisch aufziehen. Wenn man die Jugendlichen mit ihren Themen packt, dann engagieren sie sich auch.“ Allerdings setzt Bräutigam durchaus eigene Schwerpunkte: „Ich zeige meinen Kursteilnehmern auf jeden Fall die KZ-Gedenkstätte Neuengamme.“ Unter den Nazis sei die Jugendweihe verboten gewesen.

Mit der Jugendweihe als Einschwörung auf den Staatssozialismus, wie sie in der DDR praktiziert wurde, wollen die Veranstalter der Jugendweihe in Norddeutschland nichts zu tun haben. „Das Ganze war doch mehr eine Art Benimmunterricht“, sagt Bräutigam. „Und teilweise ist das auch heute noch so.“ Anders als im Westen fehlten politische Inhalte und soziale Zielsetzungen, kritisiert er.

Dabei verstehen sich die Organisatoren als parteipolitisch und weltanschaulich ungebunden: „Glaubens- und Gewissensfreiheit, Toleranz und Akzeptanz unterschiedlichster Weltanschauungen“ garantiert der Dachverband der Veranstalter den Jugendlichen. Und die Jugendlichen müssen nicht auf die Geschenke verzichten: Am Ende der Vorbereitungszeit steht ein Festakt.

Dennoch ist der Zulauf nicht gerade rasant. Vorbei sind die Zeiten, in denen über Tausend Jugendliche pro Jahrgang sich in den Hamburger Jugendweihekursen engagierten. Bundesweit meldeten sich zwischen 2000 und 2005 ein Drittel weniger Jugendliche an. 60.000 waren es im vergangenen Jahr. Aber immerhin: „Inzwischen steigen die Zahlen wieder leicht an“, sagt Bräutigam. Elke Schneefuß

Informationen und Kontaktadressen unter www.jugendweihe.de