Kapitalismusverbot für Städte

Kommunen sollen nach Plänen der FDP nur noch im Ausnahmefall als Unternehmer auftreten dürfen. Doch im Unionslager formiert sich Widerstand gegen die Privatisierungsoffensive

VON SEBASTIAN SEDLMAYR

Verluste im öffentlichen Personennahverkehr durch profitable Beteiligungen an Flughäfen ausgleichen – mit dieser bei NRW-Städten beliebten Art der Querfinanzierung könnte es bald vorbei sein. Denn wenn es nach dem FDP-geführten Landesinnenministerium geht, soll den Kommunen jegliche wirtschaftliche Betätigung offenbar nur noch erlaubt sein, wenn ein „dringender öffentlicher Zweck“ zugrunde liegt. Selbst städtische Schwimmbäder müssten dann verkauft werden. Über eine entsprechende Novelle des Gemeindewirtschaftsrechts soll der schwarz-gelbe Koalitionsausschuss kommende Woche diskutieren. Gleichzeitig steht die geplante Stärkung der Bürgermeister auf der Tagesordnung (taz berichtete).

Wie sehr die vom Innenministerium vorgeschlagene Reform des Wirtschaftsrechts die Handlungsfähigkeit der Kommunen beschränken würde, hat der Städte- und Gemeindebund NRW (StGB) in einer schriftlichen Stellungnahme festgehalten: „Die Kommunen müssten nunmehr selbst bei Energie- und Wasserversorgung, ÖPNV u.s.w. in jedem Einzelfall darlegen und beweisen, dass sie zu einer besseren und wirtschaftlicheren Aufgabenerfüllung in der Lage sind.“ Die Folge wäre laut StGB ein „absoluter Vorrang privater Dritter“. Die Organisation lehne eine Änderung des bestehenden Paragraphen 107 deshalb als „kontraproduktiv“ ab, so StGB-Sprecher Martin Lehrer zur taz.

Wenige Tage vor der ersten koalitionsinternen Beratung der Gesetzesvorlage formiert sich auch im Unionslager Widerstand. Die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU sucht nach Angaben ihre Geschäftsführers Ulrich Weller nach einem „Kompromiss, der die sozialen Aspekte beachtet“. Mit anderen Worten: Die FDP-Linie wird nicht geteilt.

Gegenwind bekommt FDP-Minister Ingo Wolf auch vom Verband Kommunaler Unternehmen (VKU). Der Vorsitzende Norbert Ohlms hat sich direkt an Wolf gewandt. In einem vierseitigen Schreiben, das der taz vorliegt, heißt es: „Die Absicht einer derart drastischen Verschärfung des Gemeindewirtschaftsrechts wird von uns als unakzeptable Diskriminierung der kommunalen Unternehmen wahrgenommen.“ Wolfs Vorhaben sei ein „Angriff auf die kommunale Selbstverwaltung“ und drohe, „die kommunalen Unternehmen zu strangulieren“.

SPD und Grüne äußern ganz ähnliche Befürchtungen: SPD-Landtagsfraktionsvize Ralf Jäger warnt gegenüber der taz vor „privaten Oligopolen“, die beispielsweise den Preis für öffentliche Verkehrsmittel drastisch erhöhen könnten. Eine „rein ideologische Veranstaltung der FDP“ sieht der kommunalpolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Horst Becker, in der angestrebten Änderung des Wirtschaftsrechts. Aus dem Innenministerium hieß es gestern, vor der Abstimmung im Koalitionsausschuss werde man zu dem Thema keinen Kommentar abgeben.