Lehrer strapazieren ihre Rechte

Lehrer dürfen streiken

VON TORSTEN LANDSBERG

Das Streikrecht ist ein hohes Gut. Seit jeher bildet es ein Druckmittel der Arbeiterklasse gegen das Kapital. Aber auch Rechte können überstrapaziert werden. Man kann darüber diskutieren, ob Streiks überhaupt noch zeitgemäß sind. Denn diejenigen, die gewerkschaftlich organisiert sind, stehen schon weitaus besser da als viele andere auf dem Arbeitsmarkt: Sie haben Tarifverträge, werden durch Betriebsräte vertreten, sind sozial abgesichert.

Das Arbeitsgericht hat am Montag entschieden, dass die angestellten Lehrer des Landes Berlin heute streiken dürfen. Fraglich war das, weil der Warnstreik auf den gleichen Tag fällt wie Abiklausuren und Prüfungen für den Mittleren Schulabschluss – und der Senat dagegen geklagt hat. Alles kein Problem, heißt es bei der Bildungsgewerkschaft GEW, die streikenden Lehrer könnten in den jeweiligen Schulen ersetzt werden.

Für viele ein Traum

Es lohnt ein Blick auf das, worum es den betroffenen Lehrern geht: Es existiert keine tarifliche Vergütungsordnung für angestellte Lehrkräfte, die rund 8.000 angestellten Lehrer verdienen weniger als ihre rund 20.000 verbeamteten Kollegen.

Andererseits liegt das Einstiegsgehalt eines angestellten Lehrers bei 4.700 Euro – ein Gehalt, von dem viele nur träumen können. Das Durchschnittseinkommen der vollzeitbeschäftigten Berliner lag 2012 bei 3.593 Euro. Vor diesem Hintergrund reagieren die Eltern mit Unverständnis auf den Streik.

Gute Arbeit muss gut bezahlt werden. Wer sich aber bei einem Verdienst dieser Größenordnung ernsthaft ungerecht behandelt fühlt, hat den Sinn für die Realität verloren.

Bericht Seite 22