Blutige Flüchtlingsräumung in Ägypten

Zehn Tote in der ägyptischen Hauptstadt Kairo, als die Polizei ein improvisiertes Lager südsudanesischer Flüchtlinge gewaltsam auflöst. Diese hatten monatelang vor dem Büro der UN-Flüchtlingsbehörde auf ihre Anerkennung gewartet – vergeblich

von DOMINIC JOHNSON

Ein blutiger Zusammenstoß zwischen der ägyptischen Polizei und Flüchtlingen aus Sudan hat gestern in der ägyptischen Hauptstadt Kairo 10 Tote und über 20 Verletzte gefordert. Die Menschen kamen ums Leben, als Polizisten sie im Morgengrauen mit Gewalt aus ihrem improvisierten Flüchtlingslager vertreiben wollten. Bis zu 5.000 Polizisten waren die ganze Nacht im Einsatz, um das bis zu 3.000 Einwohner zählende Camp aufzulösen und die Bewohner zwangsweise auf Busse mit unbekanntem Ziel zu verfrachten. Während Ägyptens Innenministerium die Todesfälle auf eine Massenpanik zurückführte, sahen Journalisten, wie Polizeibeamte auf Flüchtlinge einschlugen, darunter auch Frauen und Kleinkinder. Das Büro des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR, vor dessen Gelände sich die Gewalt abspielte, erklärte sich gestern „zutiefst schockiert“.

Das UNHCR trägt jedoch eine Mitverantwortung. Ende September hatten die ersten Sudanesen begonnen, ihr Quartier auf einer kleinen Grünfläche vor dem UNHCR-Gebäude in Kairo aufzuschlagen. Sie wollten, dass die UN-Behörde sie als Flüchtlinge anerkennt und damit Verantwortung für sie übernimmt. Das UNHCR hatte sich jedoch geweigert, weil die Menschen aus dem bürgerkriegsgeplagten Südsudan kamen, wo seit Anfang 2005 offiziell Frieden herrscht.

Man nehme keine Anträge von Südsudanesen mehr entgegen, erklärte UNHCR-Mitarbeiter Ahmed Mohsen in Kairo vergangene Woche der New York Times. Das UNHCR sei schließlich keine Reiseagentur: „Wir werden nicht einfach aufgrund der Wünsche der Betroffenen tätig.“

Die Südsudanesen waren nämlich nicht wieder gegangen. Ihr improvisiertes Lager wurde immer größer, ein südsudanesisches Dorf mitten in Kairo, wo zu Weihnachten sogar Gottesdienst gefeiert wurde. Eine Woche vor Weihnachten handelten die Sudanesen und die UN-Bürokraten immerhin eine Einzelfallüberprüfung und finanzielle Hilfe aus. Das UNHCR dachte, nun würden die Sudanesen verschwinden. Aber sie blieben. Laut New York Times fühlte sich die UN-Behörde daraufhin auch nicht mehr an die neue Abmachung gebunden.

Ausgerechnet in dieser Lage haben die ägyptischen Behörden das Lager nun gewaltsam geräumt. Sie sagten den Flüchtlingen nicht, wohin sie gebracht werden sollten. Viele hatten Angst vor einer Abschiebung nach Sudan. Aus Sicht ägyptischer Nationalisten ist Sudan, dessen Name übersetzt Schwarz bedeutet, eine abtrünnige und zurückgebliebene ägyptische Provinz.

„Seht, wie sie uns behandeln, bloß weil wir schwarz sind“, sagte einer der Flüchtlinge gegenüber Journalisten während der Gewaltnacht. „Sie wollen uns umbringen. Sie sagen uns, wir sollen nach Hause gehen, weil der Krieg vorbei ist, aber so einfach ist das nicht.“ Noch gibt es im Sudan kein funktionierendes Rückkehrprogramm für die über vier Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge. In Ägypten leben zwei Millionen Sudanesen, davon 30.000 mit Flüchtlingsstatus.