Risikofaktor Kunstdünger

EUROPA Im Biolandbau dürfen solche chemisch-synthetischen Stickstoffverbindungen nicht verwendet werden

BERLIN taz | Die Chemieanlage der Firma West Fertilizer in Texas hat genau die Dünger hergestellt, die im Biolandbau verboten sind: chemisch-synthetische Stickstoffverbindungen. Die Explosion zeigt, wie gefährlich die Produktion dieser Art von Stoffen für die konventionelle Landwirtschaft sein kann. Die Beschäftigten der Fabriken hantieren mit leicht entzündlichem Material, etwa bei der Erzeugung von Ammoniumnitrat, dem in Europa wichtigsten Dünger. Diese Substanz kann – je nach Verbindung und genauer Zusammensetzung – zum Düngen oder als Sprengstoff genutzt werden.

Beim Erzeugen der Chemikalie wird viel Energie in Molekülen konzentriert. Zersetzen sich plötzlich die Moleküle – etwa durch ein Feuer –, bricht sich die Energie durch eine Detonation Bahn. So kommt es immer wieder zu Unglücken: Ähnlich wie im aktuellen Fall explodierten etwa im französischen Toulouse am 21. September 2011 Substanzen in einer Lagerhalle der Düngemittelfabrik AZF. Die Erschütterung war damals so stark, dass im Umkreis von fünf Kilometern Glasscheiben zerbarsten und Gebäude einstürzten. 32.000 Wohnungen wurden beschädigt. 30 Menschen starben, 2.500 wurden teils schwer verletzt.

Trotz dieser Risiken spielen die chemisch-synthetischen Stickstoffdünger in der konventionellen Landwirtschaft eine große Rolle. Stickstoff ist das wichtigste Nährelement, das Pflanzen für ihr Wachstum benötigen. In Deutschland bringen die Bauern diese Substanz nach Informationen des Industrieverbands Agrar Stickstoff ungefähr je zur Hälfte in Form von chemisch-synthetischen Düngern und als Gülle oder Mist aus.

Kunstdünger sind nicht nur in der Herstellung riskant, sie haben auch einen gravierenden Nachteil für die Umwelt: Weil ihre Produktion so viel Energie verschlingt, werden auch große Mengen des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid frei. Das ist einer der Gründe, weshalb die Öko-Verordnung der Europäischen Union chemisch-synthetische Dünger verbietet. Biobauern versorgen ihre Pflanzen über Gülle oder Festmist mit Nährstoffen. Zudem bauen sie regelmäßig Hülsenfrüchte wie Bohnen oder Lupinen auf ihren Feldern an, die Stickstoff aus der Luft im Boden fixieren.

Biolandwirte ernten meist weniger pro Hektar als ihre konventionellen Konkurrenten – nicht zuletzt, weil sie auf chemisch-synthetische Dünger verzichten. Ihre Klimabilanz aber ist einigen Studien zufolge pro erzeugter Frucht besser als die konventioneller Landwirte. Und weniger riskant ist die Biodüngung auf jeden Fall: Bohnen und Lupinen explodieren nicht. JOST MAURIN