STUTTGART – OHNE BEDROHUNG DURCH TEUFEL UND POLIZEI
: Beim Daimler, aber nicht in die Leere

Bloß nicht vergeigen. Nicht wie damals, als Erwin Teufel mutterseelenallein im Stadion saß. Da hockte der Ministerpräsident unterm Dach und sollte per Werbefilm Lust auf Olympia in Stuttgart machen. Er schaute versonnen ins Rund und erzählte den alten Knackern vom IOC, er freue sich auf die Jugend der Welt. Das ging granatenmäßig schief.

Jetzt hat es ein Ende mit der schwäbischen Biederkeit, mit der man quasi heimlich, sprich „hählinga“, über die Hintertreppe ins Rampenlicht gelangen wollte. Jetzt gibt es das „beste Rahmenprogramm“ aller WM-Städte, was nur insofern eine Drohung ist, als Hansi Müller und Guido Buchwald als Botschafter auftreten werden, sowie das traditionelle Weindorf ausgebaut und die Sperrstunde aufgehoben wird. Ferner lädt der „Weltmeister der Gastlichkeit“ die erhoffte halbe Million WM-Touristen zum Sektfrühstück ein, wozu eigens das Programm „Stuttgart erwacht“ entwickelt wird.

Solchermaßen aufgeperlt können die Gäste zum Daimler pilgern, der rund um die Spielstätte, die auf seinen Namen hört, eine sternstrahlende Erlebniswelt errichten wird, für Vips, aber auch für den einfachen Fan, der auf Großleinwänden Spiele gucken darf. Beim Daimler wird auch Günther Oettinger sein Plätzchen beziehen, nachdem die Landesregierung bei der entlassungsfreudigen Welt-AG untergekommen ist. Aber der Teufel-Nachfolger hat schon gesagt, er finde den Personalabbau so bedauerlich wie nachvollziehbar.

Während der sechs Spiele am Wasen wird das vergessen sein, und alle werden fröhlich feiern. Die Schwaben mit den Schweizern, Franzosen, Holländern, Spaniern, Kroaten, Australiern, Tunesiern und Elfenbeinküstenbewohnern. Und mit 2.500 Polizisten, die nicht in Urlaub dürfen und weltoffen sein müssen. Das wird ihnen nicht weiter schwer fallen, weil ihre Knüppel im Sack bleiben sollen. Und auch von Erwin Teufel droht keine Gefahr mehr. Er studiert inzwischen Philosophie. JOSEF-OTTO FREUDENREICH

Der Autor ist Chefreporter der Stuttgarter Zeitung