TOCHTER MALT
: Von hier bis Afrika

Papa, so ’ne Tankstelle im Meer, meinst du, das geht?

„Der Hubschrauber fliegt nach Afrika und bringt den Kindern was zu essen“, sagt meine Tochter. „Und jetzt male ich noch belegte Brote. Die kommen in den Kofferraum von dem Hubschrauber.“ Sie malt in letzter Zeit wie besessen. „Schafft es dein Hubschrauber denn bis Afrika?“ Sie grübelt. „Na, ja, besser ich male noch ’ne Tankstelle. Papa, so ’ne Tankstelle im Meer, meinst du, das geht?“, fragt sie. „Schwierig“, sage ich. „Mitten im Wasser.“

Sie starrt zur Decke und grübelt, und dann, wie aus heiterem Himmel, etwas, das einem das Herz erwärmt: die Augen einer Sechsjährigen, in denen eine Idee zündet wie ein Feuerwerk. Ein kleines Sonntagnachmittags-Feuerwerk. Sofort malt sie eifrig weiter: einen zweiten Hubschrauber. Dann noch einen. Und noch einen. Eine ganze Kette mit Hubschraubern, von Berlin bis Afrika.

„Haben die alle belegte Brote an Bord?“, frage ich. „Nein! Das ist wegen dem Ben-zi-hin! Bloß der erste Hubschrauber hat die Brote. Und dann ist das so, dass der beim zweiten tanken kann, wenn er leer hat.“ Stolz erklärt sie mir die Kette: Der erste Hubschrauber tanke beim zweiten, der zweite beim dritten, der dritte beim vierten und der letzte an der Tankstelle vorne an der Köpenicker Straße. Schließlich kommt noch ein Haus dazu, in dem zwei Leute in der Küche stehen und Brote schmieren.

„Das ist Mama und das bist du“, sagt sie. „Und was machst du?“, frage ich.

Sie könne leider gar nicht helfen beim Schmieren, meint sie – sie müsse doch zur Schule. Schule? Schule! Im Nullkommanichts springt sie auf und flitzt in ihr Zimmer, weil ihr eingefallen ist, dass da noch Rechenaufgaben warten. Von einem Moment auf den anderen ist alles still. Aber man spürt noch, dass in diesem Wohnzimmer soeben eine der spektakulärsten Hilfsaktionen der Menschheit stattgefunden hat. JOCHEN WEEBER