Alter Sender sucht dringend junge Zuschauer

Die Redaktion des WDR-Flaggschiffs „Monitor“ arbeitet an einer „jüngeren“ Politiksendung und reformiert das in die Jahre gekommene Muttermagazin. Auch die Dokumentarfilme sollen zum Jubiläum 2006 spritziger werden

KÖLN taz ■ WDR-Intendant Fritz Pleitgen nennt es die „schwierigste Aufgabe überhaupt“: Junge Zuschauer an das Programm zu binden und dabei die alten nicht vor den Kopf stoßen. Ganz besonders knifflig ist die Erfüllung des Auftrags „Information und Aufklärung“ bei gleichzeitiger Steigerung der Zuschauerquote. Zum 50. Geburtstag des WDR geht die Redaktion beim Politmagazin „Monitor“, dem Aushängeschild des kritischen Journalismus im deutschen Fernsehen, nun an diese Aufgabe heran. Bis Mitte des Jahres soll ein Konzept stehen für eine auf jugendlich getrimmte Politiksendung. Arbeitstitel: „Studio M“.

WDR-Fernsehdirektor Ulrich Deppendorf sagte der taz, „Studio M“ solle voraussichtlich im Dritten laufen, also nicht wie „Monitor“ im Ersten. Allerdings sei der Sprung ins bundesweite Programm nicht ausgeschlossen. „Wir sprechen die 30- bis 49-jährigen an“, so Deppendorf. Um den Altersdurchschnitt der Zuschauer – bei „Monitor“ derzeit 59 Jahre – wenigstens um ein paar Jahre zu drücken, soll die neue Sendung luftiger und lockerer daherkommen als das Muttermagazin: „Wir wollen ein offenes Studio, also mehr direkten Kontakt mit der Bevölkerung aufnehmen“, sagte Deppendorf.

Die „Monitor“-Redaktion bastelt gleichzeitig an einer zweiten Reform: Weil die Tagesthemen jetzt statt um 22.30 Uhr schon um 22.15 Uhr ausgestrahlt werden, sind die Politmagazine in der ARD um 15 Minuten gekürzt worden. Wie zu hören ist, wollen die Mitarbeiter um Redaktionschefin Sonia Mikich die Kürzung als Herausforderung annehmen. „Monitor wird sich nicht verändern“, so das offizielle Statement von Fernsehdirektor Deppendorf. Die Einzelbeiträge würden nicht gekürzt. Die Sendung werde sich weiterhin „auf harte Politikthemen beschränken.“

Nicht nur bei „Monitor“, auch bei den Dokumentationen zwingt der gestiegene Quotendruck zu Experimenten. Szenische Elemente, dem Spielfilmgenre entliehen, sollen dröge Dokus peppen. Den Anfang macht seit Donnerstag Annette Dittert mit „Abenteuer Glück“. Auf einer Reise auf dem Wendekreis der Krebses traf Dittert Menschen in Mali, Hawaii, China und Kalkutta. Die 45-Minuten-Filme versah sie mit szenischen Sprengseln nach BBC-Vorbild. Die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verwischen hier. Und die vielleicht manchmal etwas trockenen, zum Verständnis gesellschaftlicher Entwicklungen aber unerlässlichen Zusammenhänge verschwinden hinter perfekt ausgeleuchteten Kulissen.

Der langjährige „Story“-Redaktionsleiter Gert Monheim sieht in der aktuellen Programmentwicklung im deutschen Fernsehen einen „Kahlschlag, der in seiner Auswirkung überhaupt noch nicht abzusehen ist“. Auch in der Politikberichterstattung der ARD werde das „Strukturelle, Einordnende zurückgedrängt vom Quoten- und Konkurrenzdenken“. Die politische Dokumentation werde, „wenn überhaupt, dann nur zu nachtschlafender Zeit“, gesendet. „Es wird immer viel über die Kürzung der politischen Magazine diskutiert, aber der Kahlschlag findet anderswo statt“, sagt Monheim, der die „Story“-Redaktionsleitung aus Protest gegen Budgetkürzungen niedergelegt hatte.

Dass der WDR mit seiner investigativen Arbeit noch immer die Verhältnisse zum Tanzen bringen kann, haben unlängst die Filme „Milliarden Monopoly“ I und II gezeigt. Ungereimtheiten bei der Finanzierung der Kölnmesse untersucht jetzt die Staatsanwaltschaft, gegen den Kölner Oberbürgermeister wird ermittelt. Redakteur der Filme war übrigens Gert Monheim. SEBASTIAN SEDLMAYR