Material zum Sprechen bringen

KUNSTPREIS Die Städtische Galerie stellt die frisch gekürte Förderpreis-Trägerin Esther Buttersack und sieben weitere Künstler aus. Viele Arbeiten kreisen um Grenzen der Kunst

„Ich lerne die Materialien kennen und lasse sie aktiv werden“, beschreibt Esther Buttersack ihr Verfahren

VON DIERCK WITTENBERG

Zurückgenommen, auf den ersten Blick fast unscheinbar wirken die Arbeiten von Esther Buttersack. So unscheinbar jedenfalls, dass Rose Pfister, Direktorin der Städtischen Galerie, eingangs betonen muss, dass es sich bei den sechs weißen Dreiecken dort an der Wand um Ausstellungsstücke handelt, nicht etwa um bauliche Elemente der frisch renovierten Galerie-Räume. Für diese und zwei weitere, ebenfalls unbetitelte Arbeiten wird die aus Braunschweig stammende Künstlerin, Jahrgang 1985, am Wochenende mit dem Bremer Förderpreis für Bildende Kunst ausgezeichnet.

Das Zurückgenommene, das Spiel mit geschlossenen Objekten auf der einen Seite, raumbezogenen Arbeiten auf der anderen, das ist von ihr so intendiert, sagt Buttersack. Die Bildobjekte an der gegenüberliegenden Wand lassen sich als verfremdete, bildhauerisch gearbeitete Bilderrahmen erkennen: Der eine besteht aus Beton und semi-transparentem Stoff, der andere aus Holz, das mit im Siebdruck-Verfahren gefärbtem Jersey umspannt wurde. Buttersacks dritte Arbeit entstand durch die Umkehrung des Verfahrens der Malerei. Anstatt Farbe aufzutragen, hat sie die Farb- und Materialschicht eines gefundenen, mit grünem Velours beschichteten Papierbogens abgekratzt. „Ich lerne die Materialien kennen und lasse sie aktiv werden“, beschreibt die Künstlerin ihr Verfahren.

Wenn Buttersack sagt, dass sich ihre Arbeiten aus der Beschäftigung mit der Malerei entwickelt haben, ohne dabei auf die Mittel der Malerei zurückzugreifen, dann könnte dies als Leitmotiv für die Ausstellung herhalten, in der die acht KünstlerInnen gezeigt werden, die für den diesjährigen Preis nominiert waren. Denn obwohl mit Franziska Keller nur eine unter ihnen mit klassisch zeichnerischen Mitteln arbeitet, setzen sich gleich mehrere Positionen mit den Grenzen und Möglichkeiten von Malerei und Skulptur auseinander.

So simuliert Sebastian Dannenbergs raumgreifende Arbeit mit ihrer Holzkonstruktion die Rückseite eines Wandgemäldes. Und statt einer Landschaftsmalerei, findet sich dort der spiegelverkehrte und von Farb-Laufspuren durchzogene Schriftzug: „NO MORE SUNSET.“ Das Material zum Sprechen, oder vielmehr: zum Klingen bringt auch Janis E. Müller mit seiner Installation „Outer Nothingness“, in der Holzreste und zerteilte Möbelstücke als Klangkörper fungieren.

Der Bremer Förderpreis für Bildende Kunst wird seit 1977 jährlich vergeben und ist damit – nach dem Bremer Kunstpreis – der zweitälteste Preis dieser Art in Bremen. Der von der Städtischen Galerie ausgelobte und vom Kultursenator finanzierte Preis richtet sich an KünstlerInnen zwischen 26 und 40 Jahren aus Bremen und Umgebung. In einem zweistufigen Auswahlverfahren entscheidet zunächst eine Auswahlkommission, die aus VertreterInnen Bremer Kunsteinrichtungen besteht, über den Kreis der Nominierten. Aus 35 Bewerbungen hat sich die Kommission für den Förderpreis 2012 „diesmal sehr konsequent auf acht Positionen geeinigt“, so Pfister. Eine überregional besetzte Jury entscheidet dann über die Preisvergabe. Am Montag ist ihre Wahl schließlich auf Esther Buttersack gefallen, die sich über ein Preisgeld von 5.500 Euro, eine Einzelausstellung im kommenden Jahr sowie einen Katalogzuschuss in Höhe von 3.000 Euro freuen darf.

Mit Blick auf die 36-jährige Geschichte des Bremer Förderpreises betont Pfister, dass er für einige Preisträger den Beginn einer interessanten Künstler-Karriere markierte. Zu den bisherigen Preisträgern zählt beispielsweise Norbert Schwontkowski, der 1985 ausgezeichnet wurde und heute zu den bekanntesten Bremer Künstlern zählt. Schon die überregionale Besetzung der Jury soll, so Pfister, dazu beitragen, „den Blick von außen auf die Bremer Kunstszene zu lenken“ und womöglich „bei dem einen oder anderen Kurator“ Interesse wecken.

■ Eröffnung und Preisverleihung Sa, 20. 4. um 19 Uhr, Ausstellung bis 9. 6., Städtische Galerie Bremen, Buntentorsteinweg 112