Rudi Rentier bangt

Die finnische Regierung kann sich nicht durchringen, die nordfinnischen Altwälder zum Naturpark zu erklären

STOCKHOLM taz ■ Weihnachten fällt aus, weil den Rentieren der Weidegrund fehlt und der Weihnachtsmann mit seinem Schlitten deshalb im Schnee stecken bleibt. So könnten zukünftige Nachrichten aussehen, wenn man den Szenarien der Umweltschutzorganisation Greenpeace folgt. Ernster Kern: Die finnische Regierung will sich nicht zu einem endgültigen Stopp der umstrittenen Einschläge in den Altwäldern des Landes durchringen. Sie hat lediglich ein vorläufiges Moratorium für einen Teil der von Umweltexperten als schützenswert eingestuften Bestände verhängt, in denen die Rentiere ihre proteinreiche Winternahrung finden.

Helsinki kämpft mit dem Problem, die Interessen von Forstwirtschaft und internationaler Papierindustrie mit denen der Rentierzüchter und Umweltschützer und der für den lokalen Arbeitsmarkt wichtigen Arbeitsplätze von Forstarbeitern in Einklang zu bringen.

In der Vergangenheit hatte das Forstministerium die Einschlagquoten schrittweise verringert. Derzeit diskutiert es mit den Interessenvertretungen der von den Wäldern lebenden Sami und mit Naturschutzorganisationen über eine weitere Absenkung – danach würde künftig nur noch halb so viel abgeholzt wie vor fünf Jahren. Die nächstliegende Lösung wäre, den Wald als Naturschutzgebiet auszuweisen und die Besitzer für das eingeschränkte Nutzungsrecht staatlich zu entschädigen. Davor scheut die Regierung jedoch zurück – weil sie dann auch das Eigentumsrecht der Sami-Urbevölkerung an Grund und Boden klären müsste. Dieses Recht erkennt Finnland bislang nicht an. Auch unter der UN-Konvention zum Schutz der Urbevölkerungen fehlt bislang die Unterschrift des finnischen Regierungschefs.

In der Öffentlichkeit häufen sich nun die Stimmen, die der Regierung eine klare Prioritätensetzung empfehlen. Und nach der mehrheitlichen Meinung kann die nur so ausfallen, dass sie die unersetzbaren Werte schützt, also die traditionelle Sami-Kultur und das Biotop. Nur dann, heißt es etwa in der Tageszeitung Hufvudstadsbladet, „kann Finnland seinen guten Ruf als Vorkämpfer der Menschenrechte behalten“.

Wenn die Regierung ihre Sami- und Naturschutzpolitik tatsächlich neu ausrichtet, könnten die Rentiere übrigens zu einem anderen Problem werden. Ihre Population wächst nämlich stark an – und wird damit ihrerseits zu einer ernsthaften Gefahr für die empfindliche nordskandinavische Natur. REINHARD WOLFF