Licht im Gartenteich

PRODUKTE Heute endet die weltweit größte Industrieschau. Fünf Erfindungen von der Hannover Messe, die unsere Welt verändern könnten – wenn sie sich durchsetzen

VON INGO ARZT

Das Flachsfahrzeug

Das Problem: Im Automobilbau geschieht seit Jahren etwas Paradoxes. Zwar werden Motoren immer effizienter und Bauteile immer leichter, dennoch nimmt das Gewicht der Fahrzeuge ständig zu. Vor allem, weil immer mehr Schnickschnack eingebaut wird und die Fahrzeuge größer werden. Einen Golf I gab es ab 750 Kilo Leergewicht, den neuen Golf VII ab 1.200 Kilo. Dabei wäre der einfachste Weg, um weniger Sprit zu verbrauchen, ein leichteres Auto.

Die Lösung: Leinen. Die „Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe“ und die Universität Hannover entwickeln seit 2011 das Bioconcept-Car, dessen Karosserie aus Gewebematten aus Flachsfasern besteht, die mit Harz getränkt werden und aushärten. Bisher verbauen Autohersteller Bauteile, die teilweise aus Pflanzen hergestellt sind, nur im Innenraum. Eine Flachs-Tür wiegt 14 Kilo, ihr serienmäßiges Pendant 38,5 Kilo, macht 64 Prozent weniger Gewicht.

Bringt’s das? Smudo sagt: Ja. Der Sänger der Fantastischen Vier gehört zu den Testfahrern. Ansonsten: Die sogenannten Bioverbundwerkstoffe sind leichter als die künstliche Konkurrenz wie Glasfasern und kosten weniger als ein Zehntel der ebenso leichten Kohlefasern. Allerdings schwankt die Qualität, weil Leinen eben aus Pflanzen besteht. Strukturen wie eine Zulieferindustrie gibt es nicht, noch ist kein Autobauer auf die Karosserie vom Acker angesprungen. Kann also noch dauern.

Das Dreirad

Das Problem: Die meisten Autos fahren mit nur einem Insassen durch die Gegend, was sowohl ökologisch als auch ökonomisch Stuss ist. Im Schnitt sind es 1,2 bis 1,4 Personen pro Fahrzeug. Nun breitet sich Carsharing rasant aus: plus 15,8 Prozent im Jahr 2012. Klingt ökologisch, bringt aber wenig, wenn dafür die Busse leerer sind und wieder nur eine einzelne Person mitfährt.

Die Lösung: Der Mensch ist ein Wesen, das sich als letztes Refugium des Alleinseins in sein Gefährt zurückzieht. Wenn dem so ist, dann müsste man ihn wenigstens dazu bringen, ein kleineres Ding zu fahren. So was in der Art haben sich die Ingenieure am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation überlegt. Sie entwickelten aus einem chinesischen Elektroroller einen „City Scooter“ – ein Dreirad, das man mit einem normalen Autoführerschein fahren kann. Eine Art Mischung aus Auto und Motorrad. Künftig soll noch ein Dach drüber und so viel Platz für Gepäck sein, dass man immerhin einen Wasserkasten transportieren kann.

Bringt’s das? Wenn dafür tonnenschwere Autos stehen bleiben, dann schon. Außerdem gibt es ähnliche Gefährte auch schon, den Piaggio MP3 zum Beispiel, der allerdings im Gegensatz zum City Scooter umfällt, wenn man sich an der Ampel nicht mit dem Fuß abstützt. Das Konzept der findigen Wissenschaftler ist durchaus geeignet, um Carsharing nicht zum Ökoschwachsinn verkommen zu lassen – das wollen die Fraunhofer-Ingenieure mit ihrem Gefährt erreichen. Anfragen aus der Industrie gibt es allerdings noch keine.

Die Lampe

Das Problem: Energiesparlampen enthalten Quecksilber, die EU erlaubt maximal 5 Milligramm. Als tödlich gelten 150 bis 300 Milligramm. Freigesetzt wird das giftige Schwermetall nur, wenn die Lampe platzt während sie leuchtet. Eine Gefährdung der Gesundheit bestehe trotzdem im Allgemeinen nicht, schreibt das Umweltbundesamt. Schön. „Im Allgemeinen.“ Und was heißt das? Wenn eine Lampe zerbricht, Fenster öffnen, zehn Minuten rausgehen, dann aufkehren. Auf keinen Fall saugen.

Die Lösung: Es geht auch ohne Quecksilber. Das Ding heißt „3rdPPBulb“. Eine Erfindung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Fachhochschule Aachen. Die Lampe klingt wie ein Wunder: Sie soll so sparsam wie eine Energiesparlampe sein und kommt ohne Quecksilber und sonstige Schwermetalle aus. Der Trick ist, dass in der Lampe Mikrowellen eingesetzt werden, mit deren Hilfe Leuchtstoffe Licht abgeben. Bisher nutzte man UV-Licht, um Quecksilber zum Leuchten zu bringen.

Bringt’s das? Scheint absolut ausgereift. Ein Knopfdruck, leuchtet sofort, dimmen kann man sie auch. Erzielt mit 17 Watt die Leuchtkraft einer alten 75 Watt Glühbirne, soll acht bis zehn Euro kosten und angeblich bei drei Stunden Betriebszeit am Tag 27 Jahre halten. Mehrere große Firmen haben laut KIT Interesse angemeldet. 2014 kommt die Lampe auf den Markt.

Der Solarkoffer

Das Problem: Endlich wieder Hippie sein, einen guten alten VW T1 kaufen, reparieren und den Rest seines irdischen Daseins über den Globus kurven. Und dann liegt man irgendwo am Strand, das Bier ist warm und das Handy leer und der Laptop auch und die Autobatterie sowieso und man kann nicht einmal Neidbilder auf Facebook posten, auf denen man in Hängematten rumliegt oder – nur ein Schattenriss – Zeug vor im Meer versinkender Sonne raucht.

Die Lösung: MiniJoule Island, ein Solarkoffer. Kann man wie ein Einkaufstrolley hinter sich herziehen, besteht aus einer Batterie, eine 60-Watt-Solarzelle lädt sie bei Sonnenschein an einem Tag auf. Der Koffer verfügt über zwei Steckdosen, zwei USB-Anschlüsse und zwei Zigarettenanzünder. Man kann 12 Stunden lang eine Kühlbox betreiben oder 33 Stunden einen Laptop, sagt der Hersteller. Oder 35 Minuten mit einer 1.000 -Watt-Anlage ziemlich laut die Doors hören.

Bringt’s das? Ein Pressesprecher sagt, der Solarkoffer sei im Himalaja praktisch. Mit 55 Kilogramm Gewicht hat er in der Bergsteigerszene bisher wenig Anklang gefunden. Vermutlich versinkt er auch am Strand im Sand. Außerdem könnte man auch seinen Gartenteich beleuchten. Für den Preis von 1.799 Euro kann man aber auch die Seidenstraße runter bis nach Indien gurken und sogar Afghanistan umfahren. Was für den betuchten Exhippie.

Die Laterne

Das Problem: In manchen Entwicklungsländern gibt es nur ein paar Stunden am Tag Strom – und gerade, wenn es dunkel wird und der Verbrauch steigt, fehlt er. Straßenlaternen machen dann wenig Sinn, oft lassen sich auch keine installieren, weil Stromleitungen fehlen. Ganze Straßenzüge werden mit teuren Dieselgeneratoren versorgt. Nachts wird es ziemlich duster in den Straßen.

Die Lösung: die Stand-alone-Laterne des Dortmunder Unternehmens Verysol. Eine Solarzelle lädt tagsüber eine Batterie auf, mit deren Hilfe in der Nacht die Laterne leuchtet. Das Prinzip ist altbekannt, allerdings dank neuer Batterietechnik und extrem sparsamer LED-Leuchten mit knapp einem Fünftel des Verbrauchs mittlerweile praktikabel. Für Standorte in Deutschland halten die Batterien bis zu acht Tage, falls Schnee auf der Solarzelle liegt.

Bringt’s das? Laut Hersteller baut man die Laterne einmal auf, danach leuchtet sie ohne viel Aufsehens, die erste Wartung ist erst nach sechs Jahren fällig. Der Preis liegt bei 800 bis 3.000 Euro, je nach Leuchtkraft und Batterie. Ein großflächiger Einsatz hätte zudem den Vorteil, dass die Erde noch für ein paar Jahre hübsch illuminiert bleibt, selbst wenn die Menschheit von Außerirdischen verschleppt wird. Bisher sind aber erst ein paar Dutzend Laternen aufgestellt.