Weihnachtsmännerkrieg

In Berlin machen sich die Anbieter der Männer mit Rauschebart den Auftritt an Heiligabend streitig

Mit 16 hat ihm Weihnachten nichts bedeutet. Doch heute hat er eine Mission: die Szene der Berliner Weihnachtsmänner aufmischen. Dafür hat Frank Knorre auf dem Flughafen Tempelhof einen echten Flieger gechartert. Seine 30 Weihnachtsmänner sollen auf der Gangway in die Kameras der Presse winken, dieser PR-Gag sein Durchbruch sein.

Frank Knorre ist 46 Jahre alt und sieht aus wie der Nikolaus persönlich: Sein grauer Rauschebart braucht nur etwas weiße Farbe. Knorre kennt jeden einzelnen seiner Nikoläuse. Mit seiner kleinen Berliner Weihnachtsmannzentrale will er mehr bieten als die Organisation der Massen bei der Konkurrenz.

Die trifft sich in einem Nobelhotel: 300 Rauschebärte und Engel funkeln im Blitzlichtgewitter um die Wette. Die studentische Weihnachtsmannvermittlung gibt es bereits seit 1949. Damals waren es die amerikanischen Soldaten, die zu ihrer Bescherung einen Santa Claus wollten. Seitdem ist die Nachfrage fast ungebrochen. 500 hat Projektleiterin Joy Thiem dieses Jahr in ihrer Kartei – und sie sucht immer noch Anwärter auf den Job mit Rauschebart.

Aber nicht jeder wird genommen. In einem Casting müssen die Anwärter beweisen, dass sie zumindest ein bisschen „O Tannebaum“ trällern können. Ein Kandidat kommt richtig ins Stottern: Als sie ihn in der Rolle eines achtjährigen Mädchens fragt, wo sein Schlitten stehe, und er keine plausible Antwort weiß. Genommen wird er trotzdem.

Wegen des stetigen Bedarfs nach Weihnachtsmännern haben sich neben den Studenten auch kleinere Agenturen gegründet: Alle kämpfen jetzt um die Bescherung an Heiligabend – die bringt nämlich am meisten Geld. 28 Euro kostet der Besuch von gut einer halben Stunde bei den Studenten – Frank Knorre unterbietet das um 1 Euro. Joy Thiem von der studentischen Vermittlung weiß daher genau, was die Konkurrenz so treibt: „Die Idee mit den Weihnachtsmännern am Flughafen fanden wir auch sehr schön.“ Nachahmung nicht ausgeschlossen. Flughafen oder Nobelhotel – das braucht Sven Gratzias vom Weihnachtsmannservice Berlin nicht. Er setzt lieber auf noble Künstler und die Bescherung als Event: In seiner Kartei gibt es einen echten Tenor von der Staatsoper oder ein Weihnachtsmann-Engel-Duo, das zweistimmig singen kann. Bei größeren Feiern kann er auch das Catering und einen Pianisten organisieren. Sven Gratzias hat bei der Studentenvermittlung selbst einmal eine Saison als Weihnachtsmann gearbeitet – selbst Spionage scheint in diesem angeblich so besinnlichen Business üblich. Gratzias jedenfalls hat das Wissen beim Aufbau seiner eigenen Agentur geholfen. Inzwischen sieht er die Studenten nicht mehr als Konkurrenz. Im Gegenteil: „Meine Kunden beziehe ich zum großen Teil von enttäuschten Familien. Billige Filzkostüme und ein abfallender Bart sind nicht das, was sich Familien für ihre Kinder wünschen.“EVA LODDE, CHRISTIAN HONNENS