Die Saudis sollen Toleranz lernen

Der fünfte Nationale Dialog im Königreich empfiehlt in der Schlusserklärung einen stärkeren interkulturellen Austausch

DSCHIDDAH taz ■ „Wir und der andere – eine nationale Ansicht“ lautete das Thema des fünften nationalen Dialogs in Saudi-Arabien, der am Wochenende nach dreitägiger Diskussion zu Ende ging. In einer Abschlusserklärung sprachen sich die 73 teilnehmenden Männer und Frauen dafür aus, in der Gesellschaft das Bewusstsein für mehr Respekt untereinander und gegenüber Menschen aus anderen Ländern und Kulturkreisen zu stärken.

Die Diskussionsrunden, die vom König-Abdul-Asis-Zentrum für den Nationalen Dialog organisiert werden, greifen jeweils ein bestimmtes gesellschaftliches Problem des Landes auf und münden in Reformvorschlägen, die dem König überreicht, aber auch in den Zeitungen des Landes veröffentlicht werden. Das soll die Bevölkerung animieren, sich in ihrem Alltag selbst um die Umsetzung der Vorschläge zu bemühen. Dieses Mal wurde der Dialog erstmals im Fernsehen übertragen.

Im Mittelpunkt stand die Diskussionskultur und die Toleranz gegenüber anderen Menschen. Dabei ging es sowohl um das Verhalten in der eigenen Familie als auch gegenüber Ausländern. Im Königreich herrscht allzu häufig eine Haltung im gegenseitigen Umgang vor, in der die eigene Meinung als sakrosankt gilt und andere Ansichten, Lebensweisen oder Religionen nicht akzeptiert werden. Das kann sich im Verhalten von Männern gegenüber Frauen, von Frauen gegenüber Kindern oder gegenüber Nachbarn und Kollegen niederschlagen, deren Art fremd und unverständlich erscheint.

Allerdings haben die Saudis durchaus Kontakte zu Menschen anderer Kulturen. Wer es sich leisten kann, reist viel und lässt seine Kinder im Ausland studieren. Im Lande selbst leben etwa 7 Millionen Ausländer. Sie arbeiten als Experten, Hausangestellte oder Fahrer. Dennoch ist die von Vorurteilen geprägte Haltung so weit verbreitet – auch gegenüber Saudis, die gegen den Strom schwimmen – , dass das Thema für den Nationalen Dialog ausgewählt wurde.

Die Diskussionsrunde, die in der Stadt Adha im Süden des Landes stattfand, stand zunächst unter keinem guten Stern. Gleich zu Beginn gab es eine Kontroverse, wie der Titel der Veranstaltung zu interpretieren sei, also ob es um den Umgang mit anderen Saudis oder mit Ausländern gehe. Auch am zweiten Tag kam es zu keiner Einigung. Doch am dritten Tag kam es dann zu einer einstimmig verabschiedeten Empfehlung – und das, obwohl die TeilnehmerInnen aus unterschiedlichen Landesteilen und politischen Strömungen kamen. Im Mittelpunkt der nunmehr sachlichen Debatte stand eine Analyse der Schwächen des Sozialverhaltens. „Dem Saudi fehlt es an der Fähigkeit, einen konstruktiven Meinungsaustausch zu führen“, meinte etwa Johara al-Angari, Mitglied der saudischen Menschenrechtsorganisation. „Alles, was anders ist und nicht ins saudische Denken passt, wird entweder als persönlicher Angriff betrachtet oder für falsch erklärt.“ Die Rundfunkmoderatorin Mariam al-Hgamdi wies darauf hin, dass im Koran seit Jahrhunderten nachzulesen sei, wie man sich anderen gegenüber verhalten soll: „Der Islam ist eine Religion, die die Toleranz fördert.“

In den Empfehlungen geht es in erster Linie um einen stärkeren interkulturellen Austausch auf politischer, kultureller und wirtschaftlicher Ebene. Einer der Vorschläge lautet beispielsweise, in die Lehrpläne an den Schulen internationale Literatur aufzunehmen, ein anderer, die Kooperation mit internationalen Organisationen wie der Unesco und der WTO auszubauen. Für Taleb al-Almay, Dozent an der King-Saud-Universität, ist jedoch die Bildung bürgerlicher Institutionen am wichtigsten. Darüber wird in Saudi-Arabien derzeit wenig gesprochen. „Nur mit der Unterstützung solcher Organisationen, seien sie staatlich oder privat, werden wir imstande sein, unsere Empfehlungen für mehr Toleranz in der Bevölkerung zu verbreiten“, so al-Almay.

Der Leiter des König-Adul-Asis-Zentrums, Faisal al-Muammar, hofft, dass auch die Vorschläge dieses Dialogs zu positiven Veränderungen führen werden: „Die jüngsten Wahlen in der Industrie- und Handelskammer in Dschiddah sind ein Erfolg, der den Empfehlungen des Dialogs über Frauen zugeschoben werden kann.“ Bei den Vorstandswahlen im Dezember wurden erstmals zwei Frauen in dieses Gremium gewählt.

DAHLIA RAHAIMY