leserinnenbriefe
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Konjunktivischer Kommentar

■ betr.: „Pseudofeminismus“, taz vom 4. 1. 10

Wenn mich Ursula Müller schon zitiert, dann sollte sie dies auch korrekt tun, unter anderem mit Angabe der Adresse, auf der mein Kommentar zu den Minaretten zu lesen ist. Das sei hier nachgeholt: www.fembio.org/biographie.php/frau/frauen/minarettabstimmung. Was mir als Tatsachenbehauptung unterstellt wird, ist in dem Kommentar gewissermaßen konjunktivisch zu lesen. Ich habe mir erlaubt, den in anderen Medien behaupteten hohen Frauenanteil bei der Zustimmung zum Verbot ernst zu nehmen und zu fragen, warum die Frauen auf dieses Abstimmungsverhalten gekommen sein könnten und dazu einige Argumente gebracht. Unter anderem habe ich vermutet, dass es bei diesem Abstimmungsverhalten den Frauen möglicherweise gar nicht um die Minarette ging, sondern um den Hinweis, dass offenbar ein Konflikt besteht zwischen grundgesetzlich garantierter Gleichberechtigung einerseits und Religionsfreiheit andererseits. Aber offenbar dürfen Konflikte nur noch benannt werden, wenn man sich vorher politisch korrekt abgesichert und die eigene Fremdenfreundlichkeit herunterdekliniert hat.

HELKE SANDER

Welch eine Geschichtsverfälschung

■ betr.: „Quote. Politik mit der Brechstange“ u. a., taz vom 13. 1. 10

Da wurden 30 Jahre Die Grünen von der taz mit vielen Seiten bedacht und gefeiert. Und was lese ich: Das Patriarchat feiert seine Werke und stabilisiert seine Macht.

Die Grünen! Welch eine Bilanz: kein Wort von Frauenpolitik, vom Kampf um den § 218 und seine Folgen, Engagement für einen Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, für ein Gewaltschutzgesetz, für die Sicherstellung von Mädchenarbeit. Welch eine Geschichtsverfälschung. Dachte ich doch, dass das nicht wieder passieren könnte.

Was bleibt, ist die Quotenregelung. Auch bei der taz muss frau eine Stufe schaffen, die für Männer nicht existiert. Welch eine Erkenntnis. Während Frauen die Männer über die politischen Stufen getragen haben, lassen sie uns stehen. Bleibt die Frage: Wo beziehe ich meine politischen Informationen her. Aus der taz? KARIN SCHÜLER

Frauen bewegen Mädchenbildung

■ betr.: Klassenkampf der Bildungsbürger“, taz vom 13. 1. 10, „Der deutsche Dinosaurier“, taz vom 16. 1. 10

Immer wenn es um Bildung geht, wird gerne und mit Genuss in der deutschen Bildungsgeschichte gewildert, so auch in der taz. Und so konnten wir bei Christian Füller am 13. 1. lesen, dass „Adlige, Staatsbeamte und andere angestammte Kunden der höheren Bürgerschule“ (im 19. Jahrhundert) ein zwiespältiges Projekt vertraten. „Sie forderten verbesserten Zugang für ihre Söhne und Töchter auf Gymnasien und Hochschulen. Gleichzeitig blockierten sie für andere Stände aktiv den Zugang zu höherer Bildung.“ Auch Anna Lehmann bemühte am 16. 1. in ihrem Beitrag zur aktuellen Schulentwicklung die Geschichte und stellt uns das Humboldtsche Schulideal für eine klassische Bildung aller Kinder vor.

Leider sind die historischen Aussagen schlicht falsch. Immer wieder wird übersehen, dass es im 19. Jahrhundert in der Bildung nie um Kinder ging, sondern immer nur um Söhne und Knaben. Alles, was die Schulpädagogen dieser Zeit so wunderbar an Zielen formulierten, ist allein gemünzt auf die männliche Nachkommenschaft. Frauen oder besser Mädchen „brauchten“ in dieser Zeit keine Bildung, auf jeden Fall keine AusBildung, denn sie sollten entweder (proletarisch) einfache Arbeiten verrichten oder (bürgerliche) Ehen führen. Lange war nichts zu sehen von einem verbesserten Zugang für Töchter an Gymnasien und Hochschulen, und auch das Humboldtsche Bildungsideal für alle Mädchen war nicht in Sicht. Erst ab 1908 durch die preußische Mädchenschulreform begann auch der weibliche Bildungszug langsam zu rollen. Von allein war dieser Zug allerdings nicht auf die Gleise gesprungen. Es war die bürgerliche Frauenbewegung, die sich seit den 1880er-Jahren immer wieder für die Mädchenbildung eingesetzt hatte. Seit der berühmten „gelben Broschüre“, 1888 von Helene Lange verfasst, bis 1908 zur Preußischen Mädchenschulreform vergingen 20 Jahre harter Kampf um einen gleichberechtigten Zugang zur Bildung von Mädchen und Frauen. Daraus ist zu lernen, dass ein langer Atem notwendig ist, wenn es darum geht, (öffentliche) Bildung für bisher marginalisierte Schichten zu öffnen. Daraus ist aber auch zu lernen, dass sich diese Anstrengung lohnt, denn in jeder Zeitung lesen wir heute, dass die Frauen- und Mädchenbildung eine Erfolgsgeschichte ist. Eine Erfolgsgeschichte, die sich sicher für andere Gruppen auch wiederholen lässt – wenn der (politische) Wille da ist. KERSTIN WOLFF, Kassel

Lesenswertes Frage-Antwort-Spiel

■ betr.: „Alle hatten Frust und Angst“, Interview Thorsten Schäfer-Gümbel, sonntaz vom 16. 1. 10

Ein lesenswertes Frage-Antwort-Spiel, weil hier einmal ein Politiker zu Worte kommt, dem die wichtigsten menschlichen Tugenden und die wichtigsten Attribute menschlicher Intelligenz und Erfordernisse in diesem charakterschleifenden Beruf noch nicht abhanden gekommen sind: die Aufrichtigkeit, das Differenzierungsvermögen und der souveräne Blick auf das Geschehen sowie auf sich selbst! Es gibt also beachtenswerte Persönlichkeiten in der Hessen-SPD, die da wohlweislich von den gegnerischen Kräften ausgebremst worden sind! Diesem Potenzial in der SPD kann ich nur jede Menge Wiederauftrieb wünschen. GABRIELE VOTAVA, Borkwalde