Baurecht, Verwaltungsrecht, CIA-Unrecht

Bevor das Entführungsopfer Khaled al-Masri seine Kanzlei betrat, hatte Manfred Gnjidic nie etwas mit Geheimdiensten zu tun. Der Ulmer Rechtsanwalt beschäftigte sich mit Bau- und Verwaltungsrecht. Doch Gnjidic hat schnell gelernt

Beim Bier schworen er und ein US-Kollege: „Wir gehen in dieHöhle des Löwen“

ULM taz ■ Immer wieder packt den Rechtsanwalt Manfred Gnjidic eine Art heiliger Zorn, eine Empörung, die über ihn kommt und ihn den gesetzte Juristenton vergessen lässt, in dem er sich gewöhnlich äußert. Über „hinterfotzige Gerüchte“ kann er dann schimpfen. Manchmal aber kommt er sich verloren und bedroht vor, verheddert in einem Gestrüpp aus Halbwahrheiten und gezielter Desinformation. Seit der Fall seines Mandanten Khaled al-Masri riesenhafte und manchmal auch verzerrte Konturen angenommen hat, hat Manfred Gnjidic seine Lebensversicherung erhöht. Er ist sich sicher, dass sein Telefon abgehört wird oder zumindest wurde.

Solche Sorgen haben den 41-Jährigen jedoch nicht daran gehindert, sich in den anderthalb Jahren, seit Masri zum ersten Mal seine Kanzlei betrat, vom Anwalt für Verwaltungs- und Baurecht zu einem Strategen zu entwickeln. Er hat inzwischen begriffen, dass politisches Schweigen durch hergestellte Öffentlichkeit gebrochen werden kann. Ein halbes Jahr lang, erzählt Gnjidic, hat er gebraucht, bis er kapierte, dass seine Briefe ans Bundeskanzleramt, ans Auswärtige Amt oder ans Innenministerium nicht das richtige Mittel waren, um jene rasche Aufklärung in Sachen al-Masri herbeizuführen, nach der es ihn drängte. „Ich habe ja volles Vertrauen in die Bundesregierung gehabt. Ich wollte, dass sie Gelegenheit hatte, alles aufzuklären“, sagt er.

Dann rief die New York Times bei ihm an. Ein Journalist hatte was gehört von diesem Deutsch-Libanesen und fragte nach einem Interview. Das war im Juli 2004. Gnjidic bat um etwas Geduld und änderte den Ton seiner Briefe. Im Januar 2005 hatte er genug vom Schweigen der Amerikaner. „Da habe ich gesagt, jetzt muss man den Druck erhöhen.“ Am 9. Januar brachte die New York Times den Fall. Ein Deutscher, entführt und gefoltert von der CIA! Innerhalb von Stunden sprang der Funke nach Deutschland über, und deutsche Journalisten riefen in Gnjidics Anwaltskanzlei an.

Manfred Gnjidic, Sohn eines Kroaten und einer Deutschen, geboren im ostwürttembergischen Aalen und nach eigener Auskunft gut katholisch, hat seither gezielt dafür gesorgt, dass das Schicksal seines Mandanten in den Medien virulent blieb, vor allem in den Vereinigten Staaten. Abschrecken ließ er sich nicht. Einmal schrieb das Bundeskanzleramt an Gnjidic. „Die haben darauf hingewiesen, dass es ganz heftig scheppert, wenn diese Geschichte nicht wahr sei.“

Journalisten hat der Anwalt nicht nur für sich eingesetzt, er hat auch von ihnen gelernt. Jemand von einem Magazin riet ihm, sich mit der US-Menschenrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU), in Verbindung zu setzen. Er tat es, und wenig später kam ein Anwalt der ACLU nach Ulm. Beim abendlichen Bier, so erzählt es Gnjidic, schworen sie sich: „Wir gehen in die Höhle des Löwen.“

Was der Ulmer Anwalt allein nie geschafft hätte, wurde mit den Kontakten und dem Geld der ACLU möglich. Bei einer Pressekonferenz am 6. Dezember in den USA verkündeten die neuen Verbündeten, dass sie im Fall al-Masri Klage eingereicht haben. Sie haben sich an ein Bezirksgericht in Virginia gewandt, die Klage richtet sich gegen den früheren CIA-Chef George Tenet sowie gegen drei US-Firmen, die mutmaßlich Flugzeuge und Personal für die Entführung al-Masris zur Verfügung gestellt hatten. In Virginia, genauer in Langley, hat die CIA ihren Hauptsitz. Aus einem Stuttgarter Fernsehstudio wurde der kurz zuvor an der Einreise in die USA gehinderte al-Masri live zugeschaltet. „Das haben alles die von der ACLU organisiert“, sagt Gnjidic bewundernd. „Dass sie so mächtig ist, wusste ich nicht.“

Die Pressekonferenz fiel genau mit dem Deutschlandbesuch von US-Außenministerin Rice zusammen. Eine meisterhafte Regieleistung.

Er schrieb an die Regierung. Nichts. „Da habe ich gesagt, wir erhöhen den Druck“

Vergangene Woche sind die Hochgefühle des Ulmer Anwalts jedoch wieder getrübt worden, als Innenminister Wolfgang Schäuble erzählte, Khaled al-Masri habe nach US-Darstellung Geld und eine Entschuldigung von der CIA bekommen. Das, grollt Gnjidic, werde im Prozess zu beweisen sein. Irgendeinen „Fresszettel“ aus einer Akte habe der Minister da offenbar verlesen. „Warum legt er nicht die ganze Akte vor?“ Und zur angeblichen Entschuldigung der CIA bemerkt er: „Wenn das wirklich stimmt, dann entschuldigt euch halt noch mal.“

Zur entscheidenden Schlacht könnte es nun vor dem US-Gericht kommen. Derweil wirkt der öffentliche Druck, den der Anwalt selbst nach und nach erhöht hat, auch auf ihn selbst. „Wenn ich nicht eine so wunderbare Frau hätte, die für alles Verständnis aufbringt, und drei wunderbare Kinder, würde ich das alles nicht tun.“ RÜDIGER BÄSSLER