Stadt zahlt ihren Arbeitern Ostlöhne

Auf einer millionenschweren städtischen Baustelle in Minden werden Löhne gedrückt und osteuropäische Bauarbeiter ausgenommen. Die Gewerkschaft stellt nun Strafanzeige. „Wir müssen günstig bauen“, verteidigt sich die Kommune

MÜNSTER taz ■ Auf einer der größten Baustellen in NRW werden Löhne gedrückt, Sozialversicherungen umgangen und Arbeiter illegal beschäftigt. So das Ergebnis einer Großrazzia des Zolls in der vergangenen Woche auf der Klinikbaustelle in Minden. Jetzt stellte Bodo Matthey, Sekretär der Gewerkschaft Bauen Agrar Umwelt (IG Bau), Strafanzeige gegen die Bauherren des Klinikum-Neubaus – ein Zweckverband aus Stadt und Kreis Minden. Den Bauherren lägen schon seit Anfang November Lohnabrechnungen und Arbeitsverträge vor, die beweisen, dass gegen das Tariftreuegesetz verstoßen würde, heißt es in der Strafanzeige, die der taz vorliegt.

Die Verantwortlichen ignorierten die Gesetzesverstöße und machten so „sich selbst strafbar“, begründet Matthey die Anzeige. Außerdem fordert er, die Verträge mit der Arbeitsgemeinschaft der Bauunternehmer Bögl und Temme (AG Bögl-Temme) zu kündigen: Sie ist hauptverantwortlich für den Rohbau des 210 Millionen Euro teuren Krankenhauses. Bei der Razzia fanden 80 Fahnder des Hauptzollamtes Bielefeld „schon nach kurzer Zeit eine erhebliche Anzahl an konkreten Verdachtsfällen auf Schwarzarbeit“, so ein Sprecher. Insbesondere lägen mutmaßliche Verstöße gegen die Mindestlohnbestimmungen vor, teilte die zuständige Abteilung „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ vor. Der Zoll zählte 250 Arbeiter auf der Baustelle, laut dem eigens für 100.000 Euro eingerichteten Zugangskontrollsystem hätten es nur 150 Bauarbeiter sein dürfen.

Gegen ein Subunternehmen aus Osteuropa läuft bereits ein Ermittlungsverfahren. Es soll seinen Arbeitern weniger als den gesetzlich festgelegten Mindestlohn von 10,20 Euro pro Stunde bezahlt haben. „Wenn Löhne nicht gezahlt werden, dann ist das eine Riesensauerei“ sagt Jürgen Striet, Baudezernent des Kreises Minden-Lübbecke und Projektleiter des Klinikbaus. „Bisher gibt es aber keine Beweise.“ Als Bauherren hätten sie schon vor der Razzia „im Rahmen des Möglichen“ die Unterlagen geprüft, erklärt Striet. Untätigkeit will er sich nicht nachsagen lassen: die für das Zugangskontrollsystem verantwortliche Firma wurde bereits abgemahnt. Für „völlig abwegig“ hält Striet die Forderung, der AG Bögl-Temme zu kündigen. Er könne doch nicht auf Grundlage einer Presseerklärung des Zolls rechtsgültige Verträge kündigen, erklärt Striet. Sicherlich zur Freude von Michael Temme, Geschäftsführer von Temme Bau, der die Kündigungs-Forderung für „abenteuerlich“ hält. „Uns als Kriminelle darzustellen, ist maßlos überzogen“, sagt er.

Projektleiter Striet geht in die Offensive. „Das Tariftreuegesetz muss endlich auch europaweit gültig sein“, fordert er. „Wir sind als öffentlicher Bauherr auch dazu verpflichtet, günstig zu bauen,“ sagt er. Die europaweite Suche führe zu einem Preiskampf unter den Bauunternehmern: „Im Betonbau sind die Kroaten Spitze.“ Das läge einfach an der überdurchschnittlichen Qualifikation und der Arbeitsmotivation, betont Temme, und nicht daran, dass ausländische Arbeiter weniger verdienten.

BABARA RUPFLIN