Die Hilfe kommt zu spät

HAITI Leichengeruch hängt über Port-au-Prince, auf Versorgung warten die meisten Überlebenden vergeblich. Viele fliehen. taz-Reportage aus Haitis zerstörter Hauptstadt

AUS PORT-AU-PRINCE HANS-ULRICH DILLMANN

Auf dem vom US-Militär kontrollierten Flughafen der haitianischen Hauptstadt herrscht Chaos. Im 15-Minuten-Takt landen seit Donnerstagabend Hilfsflüge, aber es gibt kaum Abstellmöglichkeiten. Manche Maschinen werden entladen, andere kreisen über der Stadt und machen unverrichteter Dinge wieder kehrt. Wenigstens liegt der für Großflugzeuge angelegte Flughafen Barahona in der Dominikanischen Republik nur drei Autostunden entfernt. Von dort können Hilfsgüter auf dem Landweg nach Haiti gebracht werden. Das verzögert die Hilfe für die schätzungsweise drei Millionen Menschen weiter, die bei dem Erdbeben am Dienstag ihr Obdach verloren haben.

Viele Verschüttete sind vermutlich inzwischen tot, viele Überlebende warteten auch am Freitag vergeblich auf medizinische Versorgung, Nahrung und Wasser. Die UNO will im nationalen Fußballstadion ein Großlazarett einrichten, in der Umgebung von Port-au-Prince sollen Massenunterkünfte auf Großgeländen entstehen, in der Stadt selbst Massengräber für zehntausende Tote. Aber auch dies muss vorbereitet und das Material eingeflogen werden. Erschwerend kommt hinzu, dass nach wie vor nur eines der vier Mobilfunknetze funktioniert. Wer zuverlässig kommunizieren will, muss über ein Satellitentelefon verfügen. Das macht die Kooperation der Helfer schwierig.

Das UN-Welternährungsprogramm WFP in Port-au-Prince dementierte eigene Meldungen, wonach seine Lebensmittellager geplündert worden seien. Einige beschädigte Supermärkte und Häuser sind allerdings leer geräumt worden. Auf einer Straße hat die Polizei mehrere Plünderer gestellt und abgeführt.

Die Straßen aus Port-au-Prince in Richtung Norden und in Richtung Dominikanische Republik sind verstopft mit Menschen, die die zerstörte Hauptstadt verlassen wollen. Auch vor dem Flughafen drängeln sich Menschen, die ausreisen wollen. Nur wer Einfluss hat und einen offiziellen Ausweis vorzeigen kann, egal welchen, wird eingelassen. „Bis wir wieder anfangen können zu arbeiten, das wird Monate dauern“, sagt der Schweizer Textilunternehmer Fritz Felchin neben seinen gepackten Koffern. Seine Fabrik ist schwer beschädigt, seine 1.500 Angestellten sind jetzt arbeitslos. „Es ist jetzt besser, außer Landes zu gehen.“ Die meisten Haitianer haben diese Wahl nicht.

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