Ein geopolitischer Öl-Coup auf Chinesisch

In Kasachstan geht heute eine neue Pipeline in Betrieb. Mit ihr will sich Zentralasien weiter von Russland emanzipieren

BISCHKEK taz ■ Heute beginnt in Asien ein neues Zeitalter: 988 Kilometer Pipeline zwischen dem kasachischen Atasu und dem westchinesischen Grenzort Alaschankou nehmen ihren Dienst auf. 10 Millionen Tonnen Rohöl sollen vorerst jährlich vom kasachischen Feld Kumkol nach China gepumpt werden. Die Kapazität kann jedoch auf 20 Millionen Tonnen im Jahr erhöht werden.

Neue geopolitische Allianzen: Dank der Leitung kann auch russisches Erdöl an China verkauft werden. Zusätzlich werden die reichen Vorkommen am Kaspischen Meer für China erschlossen. Was nicht nur für das energiehungrigen China vorteilhaft ist: In Kasachstan boomt, anders als in den zentralasiatischen Nachbarstaaten, wegen der reichen Öl- und Erdgasvorkommen die Wirtschaft. Russische, chinesische und westliche Ölfirmen buhlen seit langem in der Hauptstadt Astana mit Rückendeckung ihrer Staaten um Schürfrechte. Und um neue Pipelinewege.

China, bisher größter Abnehmer kasachischen Öls, fördert selbst seit Oktober 2005 in der zentralasiatischen Steppe. Die Firma China National Pertroleum Corporation (CNPC) kaufte für 3,5 Milliarden Euro PetroKazakhstan. Der in Kanada ansässige Konzern kontrolliert 12 Prozent der kasachischen Förderung. Zudem hält er die Schürfrechte am kasachischen Feld Kumkol, dessen Quellen die fertig gestellte Pipeline nach China speisen. Bei dem Deal hatten die Chinesen die russische Ölfirma Lukoil ausgebootet. Um jedoch die Zustimmung Kasachstans zu gewinnen, beteiligten die Chinesen KazMunaiGaz mit 33 Prozent. CNPC und KazMunaiGaz teilen sich auch die Aktien der heute eröffneten Pipeline nach China.

Die Pipeline gilt als zweiter Akt der Emanzipation von Russland. Der erste war im Mai 2005 gelungen, als mit Eröffnung der Pipeline Baku–Tiwlis–Ceyhan das russische Monopol in Zentralasien gebrochen wurde. Während die Baku–Ceyhan-Pipeline jedoch von westlichen Ölfirmen finanziert wurde, ist die Chinaroute ausschließlich Resultat einer kasachischen und chinesischen Investition. Auf den Ölpreis auf dem Weltmarkt und für den Autofahrer an den heimischen Tankstellen wird die Pipeline nach China jedoch keine Auswirkung haben. „Für die Festlegung des Ölpreises ist es unerheblich, über welchen Weg und auf welche Weise Erdöl transportiert wird“, sagt Barbara Meyer-Bukow vom Mineralöl-Wirtschaftsverband in Hamburg.

Kasachstan befindet sich nun im Ölrausch. Schon 2012 will das Land zu den führenden Erdölexporteuren gehören. Und dank der neuen Leitung kann Kasachstan auch an den aserbaidschanischen Ölfeldern partizipieren.

MARCUS BENSMANN