Mehlis-Report belastet Syrien schwer

Der neue Bericht der UN-Untersuchungskommission zum Hariri-Mord enthält neue Zeugenaussagen und wirft dem Regime in Damaskus mangelnde Zusammenarbeit vor. Wichtige Dokumente wurden verbrannt. Trauer um Tueni im Libanon

AUS DAMASKUS KARIM EL-GAWHARY

Der UN-Untersuchungsbericht hat neue Indizien für eine Verwicklung des syrischen Geheimdienstes in die Ermordung des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri gefunden. Dies geht aus dem Report des Berliner Staatsanwaltes Detlev Mehlis hervor, der am Montag dem Sicherheitsrat in New York vorgelegt wurde und gestern Abend dort diskutiert werden sollte. Einen endgültigen Beweis für die Verwicklung der höheren Etagen des Regimes in Damaskus enthält der Bericht jedoch nicht. Syrien hatte jede Verstrickung in den Mordfall zurückgewiesen.

Ein Zwischenbericht des Mehlis-Teams vom Oktober war von einer hohen Wahrscheinlichkeit einer syrischen Verwicklung in den Mordanschlag vom Februar ausgegangen, bei dem neben Hariri weitere 22 Menschen getötet worden waren. „Die ursprünglichen Schlussfolgerungen im Zwischenbericht im Oktober haben sich nicht verändert, sondern nur verstärkt“, heißt es in dem neuen Bericht. Politisch am brisantesten dürfte die Forderung Mehlis’ sein, 19 nicht namentlich genannte Verdächtige zu verhaften, darunter auch fünf hohe syrische Beamte, die letzte Woche von den UN-Ermittlern in Wien vernommen worden waren. Unbestätigten Berichten zufolge sollen auch der Schwager des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und Chef des militärischen Geheimdienstes, Asef Schaukat, sowie der einst für den Libanon zuständige Geheimdienstchef Rustum Ghazali, verhört worden sein. „Syrien muss jene Funktionäre und jene Einzelpersonen verhaften, die bei der Kommission in Verdacht stehen, an der Planung, der Unterstützung und der Organisation des Terroraktes beteiligt gewesen zu sein“, verlangt der Report eindeutig und fordert, dass alle Verdächtigen der Kommission für Verhöre zur Verfügung gestellt werden müssen.

Die syrische Zusammenarbeit mit der UN-Kommission wird in dem Bericht als „langsam“ bezeichnet. In der UNO-Resolution 1636 vom 31. Oktober waren Syrien Strafmaßnahmen für den Fall mangelnder Kooperation angedroht worden. Dem Regime in Damaskus wird jetzt erneut vorgeworfen, in einigen Fällen eine Verzögerungstaktik angewandt zu haben. Besonders verärgert zeigen sich die Ermittler über einen der wichtigsten Zeugen für den Zwischenbericht vom Oktober, den ehemaligen syrischen Geheimdienstler Hussam Taher Hussam. Dieser zog später seine Aussage zurück, mit dem Hinweis, er sei von Hariris Familie bestochen worden. Der Bericht wirft den syrischen Behörden vor, Familienmitglieder des Zeugen verhaftet und unter Druck gesetzt und den Zeugen selbst manipuliert zu haben. Mehlis fordert eindeutig: „Syrien sollte eine eigene ehrliche und professionelle Untersuchung durchführen und schnell und ohne weitere Bedingungen den UN-Ermittlern antworten.“

Was schriftliche Beweisstücke angeht, wird sich wenig finden. Zwei der in Wien vernommenen Zeugen haben zugegeben, dass alle syrischen Geheimdienstdokumente, die mit dem Libanon in Zusammenhang stehen, verbrannt worden sind.

Der Bericht fordert auch eine Verlängerung des Mandats der Kommmission um mindestens sechs Monate. Allerdings wird Mehlis nicht mehr zur Verfügung stehen, denn seine Amtzeit läuft morgen aus und wird auf eigenen Wunsch nicht verlängert.

Der Bericht geht auch auf die Anschläge ein, die seit der Ermordung Hariris stattfanden. Es gebe neue Zeugenaussagen, die einen „hohen syrischen Beamten“ mit einer Kampagne verbinden, im Libanon Chaos zu schaffen. Er soll in den Tagen nach dem Hariri-Mord Waffen, Munition und Provokateure zur Verfügung gestellt haben. Dies ist nach dem Mordanschlag vom Montag auf den prominenten libanesischen Kritiker Syriens, Gibran Tueni, besonders brisant. Gestern blieben im Libanon Geschäfte und Büros aus Trauer weitgehend geschlossen. Das Kabinett rief den Sicherheitsrat auf, diesen und andere politisch motivierte Morde der letzten Monate zu untersuchen. Daraufhin zogen sich fünf prosyrische Minister aus dem Kabinett zurück. „Wir sind dagegen, alles, was im Libanon geschieht, zu internationalisieren und unsere Souveränität aufzugeben“, sagte Muhammad Fneisch, Energieminister und gleichzeitig Politbüro-Mitglied der Hisbollah. Dies zeigt, wie sehr die Morde auch die innenpolitische Lage im Libanon angespannt hatten.

Die syrische Regierungssprecherin Butheina Schaaban stritt jegliche Verwicklung in den Mord an Tueni ab. „Wir haben auch voll mit Mehlis kooperiert“, erklärte sie. „Wir würden gerne selber wissen, wer die Mörder waren, weil wir glauben, dass jeder, der ein solches Verbrechen gegen den Libanon begeht, sich auch gegen Syrien richtet.“