Strandgänger werden rechte Hooligans

Im Einwanderungsland Australien machen rassistische Weiße in Sydneys Strandvororten wiederholt Jagd aufdunkelhäutige Menschen. Alkohol und gut organisierte rechtsextreme Gruppen lassen die antiislamische Gewalt eskalieren

AUS SYDNEY TIMM SCHRÖDER

Am Tag danach liegt Stille über Cronulla. Ein Badeort in der Nebensaison, so sieht es aus. Geschäfte geschlossen, Restaurants ohne Gäste. Die Weihnachtsbeleuchtung an der Strandpromenade taucht das Städtchen südlich von Sydney in rotes Licht. „So ruhig war es hier noch nie“, sagt Michael Carson vor seinem Strandimbiss. Als er erklären will, dass ihm die Unruhen wohl sein Weihnachtsgeschäft kaputtgemacht haben, stockt er mitten im Satz. Sirenengeheul. Kurz darauf ducken sich die Menschen im Lichtkegel des Suchscheinwerfers der Hubschrauber. 20 Mitglieder einer Sondertruppe rennen die Promenade hinab, Pistolen im Anschlag. Was aber los ist, weiß keiner. Hotelgäste stehen auf den Balkonen, auf der Straße bilden sich Menschentrauben. Plötzlich splittert Glas.

„Australia, Australia, Oi, Oi, Oi!“, schreit die Menge auf dem Strandparkplatz. 50 junge Leute haben ein Auto entdeckt, in dem vier dunkelhäutige Männer sitzen. Mit Holzlatten und Baseballschlägern zertrümmern sie die Scheiben, während sich die Insassen ducken. Wie eine Mauer postieren sich die Leute um das Auto. Zwei Minuten vergehen, bis Polizisten mit Schlagstöcken den Ring sprengen. Als später Sanitäter die Insassen versorgen, sagt ein Jugendlicher: „Lasst sie doch verrecken.“

Später fahren an der Promenade 70 Autos mit jungen Weißen vor. Sie steigen aus, mit Schlägern und Holzlatten bewaffnet. „Wir haben eine SMS bekommen, dass unser Vaterland uns hier braucht“, sagt einer. Gerüchte von Libanesen, die auf der Straße nach Cronulla Schaufenster eingeworfen und Autos zerstört hätten, machen die Runde. „Wir sind bereit“, sagt Rob, der seinen vollen Namen nicht nennen will. Er habe im Fernsehen gesehen, dass sich hunderte Muslime vor der Moschee von Lakemba, einem Vorort Sydneys, versammelten und sich mit der Polizei Straßenschlachten lieferten. Anschließend fuhren sie nach Brighton-Le-Sands, einem weiteren Strandvorort. Dort wurden Schaufenster zertrümmert und Autos zerstört. Nun, glaubt Rob, seien die muslimischen Jugendlichen auf dem Weg nach Cronulla. „Die wollen Rache für das, was hier am Sonntag passiert ist.“ Deshalb ist er gekommen. „Ich bin bereit, für Australien zu kämpfen.“

Dass sich die Abneigung rassistischer Weißer gegen Australiens 300.000 Muslime richtet, hat viele Gründe. Im November wurden Anschläge mutmaßlicher Islamisten in Sydney und Melbourne vereitelt. In Cronulla gab es schon zuvor Probleme mit rivalisierenden Jugendgangs. „Die Libanesen beanspruchen ganze Strandabschnitte für sich“, erzählt Rob. Damit aber sei nun Schluss: „Wenn sie bewaffnet sind, bringen wir sie halt um.“

Wenig später löst sich vor einem Hotel tatsächlich ein Schuss. Es war während der Unruhen am Sonntag ein Zufluchtsort, deshalb lassen die Jugendlichen nun ihren Hass an den Türstehern aus, da die „Rache der Muslime“ zunächst ausbleibt. Erst spät nachts wird Cronulla von 40 Autos mit jungen Libanesen heimgesucht, die die Innenstadt verwüsten.

Diesmal ist die Polizei sofort vor Ort. Biergeruch liegt in der Luft. Viele Randalierer haben schon den ganzen Tag am Strand getrunken. Bei Temperaturen bis 30 Grad verwandeln sich Strandgänger in Hooligans. Bilanz der Nacht: mindestens sechs Festnahmen und bis 20 Verletzte.

Dann kehrt wieder Ruhe ein in Cronulla. Doch für wie lange? „Am nächsten Sonntag machen wir hier Party“, sagt Rob, „und wehe, ein Libanese lässt sich blicken.“ Die Polizei erwartet mehr als die 5.000 Weißen, die sich letzten Sonntag zur Jagd auf Dunkelhäutige versammelt hatten. Der Grund dafür ist die Organisation der weißen Australier. Per Computer verschicken sie tausende SMS gleichzeitig, um zu mobilisieren. Schon am letzten Sonntag mischten rechtsextreme Gruppen mit: „Australia First“, die „Patriotische Jugendliga“ und eine gut organisierte Skinheadgruppe namens „Blood and Honour“.