Als ob nichts geschehen wäre

URANIA II In einer Ausstellung wird die Rolle des Bildungszentrums zwischen 1933 und 1945 beleuchtet: Während die Wehrmacht über andere Länder herfiel, kamen Berichte über ferne Regionen gut an

Wie die Nationalsozialisten nach ihrem Machtantritt 1933 die Urania zunächst „gleichschalteten“ und bald darauf „arisierten“, wird in der Ausstellung „Mythos und Wissenschaft“ des Historikers Wolfgang Wippermann erstmals ausführlicher dokumentiert. Beim 100. Jubiläum 1988 war die „braune Ära“ noch weitgehend ausgespart worden. „Die Urania verstand sich als unpolitisch. Gerade deshalb wurde sie dem politischen Druck des NS-Regimes ausgesetzt“, stellt Wippermann nun fest.

Im Oktober 1933 wurde von den Nazis Hugo von Abercron, Oberst a. D. und NSDAP-Mitglied seit 1932, als neuer Leiter der Urania eingesetzt. „Abercron war ein begeisterter Nationalsozialist. Er brauchte einen Job und bekam daraufhin die Urania“, sagt Wippermann. Bemerkenswerterweise wehrte sich der Verein unter Vorsitz von Fritz Anselm Arnheim gegen die Gleichschaltung mit einer Klage beim Amtsgericht Charlottenburg – und erreichte nach zweijährigem Prozess einen Kompromiss: Abercron wurde als Vorstand der Aktiengesellschaft, nicht aber des Vereins bestätigt.

Ohne Klage nahm die Urania dagegen ihre „Arisierung“ hin: die Entfernung der jüdischen Mitglieder. Am 26. Juni 1935 beschloss die Mitgliederversammlung, nur noch Vereinsmitglieder „arischer Abstammung“ zu akzeptieren. Auch das Vorstandsmitglied Arnheim wurde wegen seiner „nichtarischen Herkunft“ ausgeschlossen. Es folgten Schikanen und Verfolgung. Am 17. August 1942 wurde Arnheim mit Frau und Sohn ins KZ Theresienstadt deportiert und später nach Auschwitz verlegt, wo sie von den Nazis ermordet wurden.

Das Schicksal Arnheims war bis zur Recherche Wippermanns von der Urania völlig verdrängt worden. „Eine Ehrung ist meiner Meinung nach überfällig“, sagt der Historiker. „Ich hoffe, es passiert etwas im Jubiläumsjahr.“ Denkbar sei ein Gedenk-Stolperstein oder die Benennung eines Raums nach Arnheim, um den einstigen Urania-Vorstand, so Wippermann, „dem Vergessen zu entreißen“.

In den weiteren NS-Jahren fand in der Urania zwar keine gesteigerte ideologische Propaganda statt. Dennoch fanden Nazi-Größen wie Hans Frank und Baldur von Schirach hier ihre Bühne, Vorträge über die „SS-Rassenkunde und Richtlinien zur Gattenwahl“ standen auf dem Programm. Aber auch ein unabhängiger Geist wie Max Planck konnte noch in der Urania sprechen. Der Bildungsverein führte den „Betrieb weiter, als ob nichts geschehen wäre“, heißt es in der Ausstellung.

Besonders beliebt waren, während die deutsche Wehrmacht über andere Länder herfiel, Reiseberichte aus fernen Regionen. „Insel Bali im Farbfilm“ und „Eine Luftreise nach Ägypten“ waren typische Themen im Jahr 1941. Wenige Wochen vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion stand gar der Vortrag „Ein Streifzug durch das europäische Russland“ auf dem Programm.

Der Zweite Weltkrieg tobte, aber die Urania vermittelte die Botschaft, dass der Krieg ganz weit weg sei. „Das war beabsichtigt“, unterstreicht Wippermann. „Die deutschen ‚Volksgenossen‘ sollten vom Krieg abgelenkt werden.“ Mit Erfolg: Die Besucherzahlen stiegen, ebenso die Einnahmen. Das Geschäftsjahr 1942/43 beschloss die Urania mit einem „deutlichen Gewinn“. Dann kam der Krieg nach Berlin – und auch das ursprüngliche Gebäude der Urania in der Invalidenstraße wurde dabei zerstört. MANFRED RONZHEIMER

■ Die Ausstellung ist seit dem 25. März bis Mitte Juni im Foyer der Urania zu sehen