Peking räumt Tod von Demonstranten ein

Nach Protesten in einem Dorf nennt die Polizei die Erschießung von drei Personen einen Fehler und spricht von einigen Aufrührern. In den staatlichen Medien tauchte der Vorfall erst fünf Tage später auf. Die Regierung hat ein Problem

AUS PEKING GEORG BLUME

Rund 200 lokale Demonstrationen hat es China im vergangenen Jahr gegeben. Meist wehrten sich Bauern gegen Landraub oder Arbeiter gegen Entlassungen. Dass die Proteste im Allgemeinen friedlich verliefen, liegt an der Vermittlungskompetenz der Kommunisten vor Ort. Meist scheuen sie Krawalle und handeln Kompromisse aus – nicht so in dem Dorf Dongzhou 200 Kilometer östlich von Hongkong.

Am Wochenende räumten dort die chinesischen Behörden den Tod von drei Demonstranten ein. Die Volkspolizei hatte am vergangenen Dienstag das Feuer auf die wegen unangemessener Entschädigungen für den Landentzug protestierenden Dorfbewohner eröffnet. Die Todesschüsse sind im Zuge der neuen sozialen Konflikte, die China seit der Auflösung zahlreicher Staatskonzerne und der Massenimmigration von Bauern in die Städte heimsuchen, ein Novum.

Das staatliche Provinzblatt Guangzhou bezeichnete die Schüsse als Fehler. Derjenige, der sie angeordnet habe, sei festgenommen und es sei eine Untersuchungskommission gebildet worden. Doch die Aufklärung des Falls bleibt ungewiss. Die Darstellung in verschiedenen staatlichen Medien ist widersprüchlich: So meldete die Nachrichtenagentur Xinhua, dass die Polizei allein aus Notwehr gehandelt habe, und machte „eine kleine Zahl von Aufrührern“ für „schwere Verbrechen“ verantwortlich. Der Protest sei „ein Fall ernsthafter Gewalt von hunderten von Dorfbewohnern gegen die Volkspolizei“ gewesen, berichtete Xinhua.

Hongkonger Zeitungen zufolge reagierten die betroffenen Bewohner von Dongzhou mit Angst und Sorge auf die offiziellen Berichte. Sie fürchteten Festnahmen und sagten, dass mehr als drei Menschen ums Leben gekommen seien.

Augenzeugen hatten zuvor von mindestens 30 Toten gesprochen. Die Polizei hält bislang die Leichen der Getöteten unter Verschluss. Am Freitag knieten dutzende von Frauen vor Polizeieinheiten nieder, um die Freigabe der Leichen zu erwirken. Erfolglos. Stattdessen bot ein Gemeindebeamter der Familie eines ermordeten Demonstranten eine Entschädigungssumme von umgerechnet 200 Euro an. Im Dorf hängte die Polizei Banderolen mit den Schriftzeichen „Die bewaffnete Volkspolizei ist für das Volk“ auf.

Aus all dem spricht die Zwiespältigkeit Pekings. Der Polizei Fehler und einigen Dorfbewohnern Verbrechen vorzuwerfen, bringt wenig Klarheit. Zumal fünf Tage vergingen, bevor die Ereignisse in den staatlichen Medien überhaupt erwähnt wurden. Der Fall zeigt, dass Peking nur eine Strategie hat: Kompromisse schließen, bevor es zur Gewalt kommt. Ist die Gewalt da, sind die einen für Selbstkritik und die anderen für weitere Gewalt.