Ein gewöhnlicher Bürger namens Sarkozy

FRANKREICH Die Justiz hat in Bordeaux gegen den Exstaatspräsidenten Nicolas Sarkozy ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Er wird verdächtigt, die Altersschwäche der befreundeten Milliardärin Liliane Bettencourt für illegale Wahlspenden missbraucht zu haben

Das Verfahren schmälert Sarkozys Chancen auf ein politisches Comeback 2017

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Der Untersuchungsrichter Jean-Michel Gentil hat am Donnerstagabend gegen den früheren Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Sarkozy steht im Verdacht, zu Beginn des Jahres 2007 die Altersschwäche der Milliardärin Liliane Bettencourt ausgenutzt zu haben, um von ihr Wahlspenden zu erhalten. Sarkozys Anwalt hat angekündigt, er werde Einspruch gegen dieses Vorgehen erheben. Sein Mandant sei in „skandalöser“ Weise behandelt worden. Er bezweifle auch, dass Richter Gentil wirklich sowohl nach be- als auch entlastenden Beweisen gesucht habe.

Seit seiner Wahlniederlage ist Sarkozy für die Justiz ein gewöhnlicher Bürger, der nicht mehr die strafrechtliche Immunität eines französischen Staatschefs genießt.

Gentil, der auch gegen Sarkozys ehemaligen Verantwortlichen für die Finanzierung der Wahlkampagne von 2007, Exminister Eric Woerth, sowie weitere Personen wegen Vertrauensmissbrauch, Veruntreuung und Unterschlagung ermittelt, hatte am Donnerstag überraschend eine Gegenüberstellung zwischen dem früheren Staatspräsidenten und dem ehemaligen Butler der Milliardärin Liliane Bettencourt anberaumt. Der Butler hatte seinerzeit die sogenannte Bettencourt-Affäre ins Rollen gebracht, indem er heimlich Gespräche der betagten L’Oréal-Erbin mit ihrem Vermögensverwalter und ihrem Anwalt aufnahm und diese Tonbandaufzeichnungen an Bettencourts Tochter weiterleitete.

Aus den mitgehörten Gesprächen geht hervor, dass diese Vertrauten selber sowie mehrere Hausangestellte, aber auch Politiker Bettencourt skrupellos ausgenutzt hatten.

Mehrere Zeugen, namentlich der Butler, die frühere Buchhalterin sowie eine Krankenschwester haben gesagt, zu diesen Besuchern bei der für ihre Großzügigkeit bekannten Milliardärin habe auch Sarkozy gehört. Bei der Gegenüberstellung mit diesen Belastungszeugen ging es darum, zu klären, wie oft Sarkozy in Bettencourts Villa in Neuilly-sur-Seine gekommen sei. Sarkozy selber räumt nur einen einzigen Höflichkeitsbesuch ein und dementiert kategorisch, „auch nur einen Sou“ erhalten zu haben.

Selbstverständlich darf sich Sarkozy zu Recht auf die Unschuldsvermutung berufen. Gerüchte über Unregelmäßigkeiten bei seiner Wahlkampffinanzierung gibt es schon lange, so etwa über massive Wahlspenden aus Libyen. Auch wird seine Rolle bei der Abzweigung von Schmiergeldern für Wahlspenden von 1995 in der „Karatschi-Affäre“ sowie eine mögliche Beeinflussung der Justiz während seiner Amtszeit untersucht.

Allein schon diese Vorwürfe und Verdachtsmomente sind für einen Spitzenpolitiker gravierend und könnten seine eventuelle Pläne für ein Comeback bei den Präsidentschaftswahlen 2017 durchkreuzen.

Entsprechend empört haben sich zahlreiche seiner Parteifreunde der UMP über das Vorgehen der Justiz in Bordeaux geäußert. Der frühere Innenminister Claude Guéant hält es für „völlig infam“, Sarkozy zu belangen. Präsidentenberater Henri Guaino meinte sogar, der Richter von Bordeaux habe „die Justiz entehrt“. Der sozialistische Parteichef Harlem Désir kritisierte diese Reaktionen, da sie im Gegenteil die „Unabhängigkeit der Richter infrage stellen“.

Der sozialistische Staatspräsident François Hollande, der sich über die Ablenkung der Aufmerksamkeit der Medien von der misslichen Lage Frankreichs freuen dürfte, wollte zur Bredouille seines Vorgängers nicht Stellung nehmen.