Franz schützt Franziskus

PAPST Franz Jalics, dessen Entführung durch Argentiniens Militärdiktatur Zweifel am damaligen Verhalten des Papstes ausgelöst hatte, spricht ihn von jeder Schuld frei

VON BERND PICKERT

BERLIN taz | In die Debatte um die Rolle des in der vergangenen Woche zum Papst gewählten argentinischen Kardinals Jorge Bergoglio während der argentinischen Militärdiktatur ist neue Bewegung gekommen. Zum zweiten Mal innerhalb von fünf Tagen hat sich Franz Jalics zu Wort gemeldet, einer jener beiden Pastoren, die im Mai 1976 verschleppt, gefoltert und erst fünf Monate später freigelassen worden waren. „Dies sind nun die Tatsachen“, schreibt Jalics in einer auf der Webseite der deutschen Jesuiten veröffentlichten Erklärung: „Orlando Yorio und ich wurden nicht von Pater Bergoglio angezeigt. […] Früher neigte ich selber zu der Ansicht, dass wir Opfer einer Anzeige geworden sind. Ende der 90er Jahre aber ist mir nach zahlreichen Gesprächen klar geworden, dass diese Vermutung unbegründet war. Es ist daher falsch zu behaupten, dass unsere Gefangennahme auf die Initiative von Pater Bergoglio geschehen ist.“

Dieser Vorwurf hatte sich aus Recherchen des argentinischen Journalisten Horacio Verbitsky ergeben. Verbitsky bezog sich nicht nur auf die Aussage des im Jahr 2000 verstorbenen Orlando Yorio, sondern auch weiterer Kirchenleute, die sich erinnerten, wie Bergoglio die beiden Pastoren der Nähe zur Guerilla verdächtigt hatte. Ein später in den Archiven des Außenministeriums gefundenes Dokument, in dem ein Beamter 1979 vermerkte, Bergoglio habe Jalics als „Subversiven“ bezeichnet, erhärtete den Verdacht.

Mindestens in einem Punkt ist Jalics’ Erklärung erstaunlich: „Ende der 90er Jahre“ habe er gemerkt, dass die vermutete Denunziation durch Bergoglio nicht stimme, schreibt er – aber noch im April 1999 erzählte er Verbitsky in einem Telefoninterview das genaue Gegenteil. Damals berichtete er, ein Bischof habe ihm im Vertrauen gesagt, dass Bergoglio „monatelang“ herumerzählt habe, dass Yorio und er der Guerilla angehörten.

Bereits am 15. März hatte Jalics eine erste Erklärung abgegeben: „Ich bin mit den Geschehnissen versöhnt und betrachte sie meinerseits als abgeschlossen“, schrieb er da – und das wurde weltweit nicht unbedingt als Dementi interpretiert. Die „Ergänzende Erklärung“ vom Mittwoch sei notwendig, „weil manche Kommentare das Gegenteil dessen bedeuten, was ich gemeint habe“, schreibt Jalics jetzt.

In Argentinien selbst wird die Debatte zusehends entlang politischer Linien geführt. Verbitsky und seine Zeitung Página/12 stehen der linken Regierung Kirchner sehr nah, zu der sich Bergoglio – als junger Mann in einer rechtsperonistischen Gruppierung politisch engagiert – stets in Opposition befand.

Bergoglio selbst hat sich seit seiner Wahl zum Papst nicht zu den Vorwürfen geäußert. Der Vatikan allerdings verteilte in der vergangenen Woche eine wütende Erklärung gegen die „Verleumdungskampagnen antiklerikaler Kreise“.

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